Shell will den Biosprit retten

Ein Gutachten des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut im Shell-Auftrag schlägt eine Zertifizierung von Biosprit nach CO2-Einsparung und nachhaltiger Erzeugung vor. Andere Experten warnen vor Preistreiberei. Schon heute lande viel Rapsöl im Tank

Aus Biomasse Treibstoff herzustellen, ist umstritten. Beim Erzeugen von Wärme oder dem gekoppelten Erzeugen von Wärme und Strom könne Biomasse dreimal effizienter und wesentlich billiger eingesetzt werden als für Biosprit, hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen im Juli dieses Jahres in einem Gutachten für die Bundesregierung festgestellt. Das gilt zumindest für die heute verfügbaren Biotreibstoffe. „Biomasse ist eine knappe Ressource und sollte daher möglichst wirksam für den Klimaschutz eingesetzt werden“, empfahl Martin Faulstich vom Sachverständigenrat. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Die Umweltbilanz eines Biotreibstoffs ist nicht zwangsläufig besser, als die eines mineralischen. Der Ölkonzern Shell und das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) haben deshalb ein internationales Zertifizierungssystem für Biotreibstoffe vorgeschlagen. „Um nicht andere Nachhaltigkeitsziele zu gefährden, müssen das CO2-Reduktionspotenzial ebenso wie andere Nachhaltigkeitskriterien geprüft werden“, heißt es in der von Shell in Auftrag gegebenen HWWI-Studie „Biokraftstoffe und Nachhaltigkeit“.

Shell begleitet mit der Studie die Novelle des Biokraftstoffquotengesetzes, die heute vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Bis 2010 soll der Anteil des Pflanzentreibstoffs in Benzin und Diesel in Deutschland im Volumen von fünf auf zehn Prozent steigen. 2020 soll er bei 20 Prozent liegen. Experten unterschiedlicher Provenienz halten das für überzogen. „Die Gefahr ist, wenn diese ehrgeizigen Ziele durchgesetzt werden, dass die Preise weiter steigen, über das jetzige Niveau hinaus, das bereits ein Allzeit-Rekord ist“, sagt Thomas Mielke vom Hamburger Branchendienst www.oilworld.biz. Die Preise für Soja- und Palmöl haben sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Schon jetzt nehme der Verbrauch schneller zu als die Produktion, sagt Mielke.

Die Nachfrage nach dem Biosprit ist dabei, die Landwirtschaft zu revolutionieren. „64 Prozent des EU-weiten Rapsölverbrauchs wird für Biokraftstoffe benutzt“, schätzt Mielke. In Niedersachsen bedeckt allein der Mais als Energiepflanze in diesem Jahr mehr als ein Fünftel der Äcker. In Schleswig-Holstein ist die Lage ähnlich. Der Naturschutzbund Niedersachsen (NABU) warnte vor einer „Vermaisung ganzer Landschaften“. Zugleich drohten die letzten kleinen Gehölze aus der Landschaft getilgt zu werden und damit wichtige Refugien für viele Tiere und Pflanzen.

Wegen des hohen Verbrauchs steigen die Einfuhren in die EU – ein Trend, der anhalten dürfte. Wenn die EU ihre Klimaschutzziele erreichen wolle, müsse die Einfuhr von Biomasse gesteigert werden, vermutet der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung. Das wiederum ruft Kritiker wie „Rettet den Regenwald“ auf den Plan, eine Initiative, die gegen die Abholzung der indonesischen Wälder zugunsten von Palmölplantagen kämpft und dagegen, dass etwa in Wilhelmshaven Raffinerien zur Weiterverarbeitung des Palmöls gebaut werden.

Dabei ist selbst der CO2-Ausstoß von Biotreibstoffen der ersten Generation nicht in jedem Fall besser als der von Treibstoff aus Erdöl. Nach Angaben des HWWI setzt Biodiesel aus Raps 50 Prozent weniger CO2 frei als Diesel aus Erdöl. Ethanol aus Weizen erreicht etwas mehr als 60 Prozent des CO2-Ausstoßes von Benzin aus Erdöl. Ethanol aus Weizen, der mit Hilfe von Braunkohle destilliert wird, bedingt sogar einen höheren Kohlendioxidausstoß: 130 Prozent.

Abgesehen von Zuckerrohr sind erst die Biotreibstoffe der zweiten Generation wesentlich besser. Hierbei werden ganze Pflanzen, nicht nur die Früchte, durch Vergasung oder mit Hilfe von Enzymen in Treibstoffe verwandelt. Laut HWWI-Studie lässt sich damit der CO2-Ausstoß auf zehn Prozent der mineralischen Treibstoffe drücken. Die nötigen Techniken werden aber wohl erst ab 2015 alltagstauglich sein.

„Biokraftstoffe sind höchst heterogen und tragen deshalb sehr unterschiedlich zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele bei“, sagt Michael Bräuninger, Co-Autor der HWWI. Er und seine Kollegen Leon Leschus und Henning Vöpel schlagen deshalb ein Bewertungssystem mit zwei Säulen vor. Sowohl die Verringerung des CO2-Ausstoßes als auch die Nachhaltigkeit des Herstellungs- und Bereitstellungsprozesses sollte nach einem internationalen Standard benotet werden. Für die Nachhaltigkeit würde ein Mindeststandard festgelegt. Darüber hinausgehende Werte würden mit dem CO2-Index zu einem Faktor verrechnet, der die staatliche Förderung des jeweiligen Kraftstoffs bestimmen soll.