„Lokalpatriot“ wird Verleger

SZENE HAMBURG Ob das Stadtmagazin weitermachen kann, entscheidet sich Ende März. Was der potenzielle Verleger, ein Bauunternehmer, inhaltlich beabsichtigt, ist noch weitgehend unklar – auch ihm selbst

Sich eine Zeitschrift vorzustellen, die Bernd Weichler gefallen könnte, ist gar nicht schwierig. Jedenfalls, wenn man sich an den Informationen orientiert, die er im Netz preisgibt: Das Foto in seinem – bisher nicht genutzten – Twitter-Profil zeigt ihn golfend. Und bei golffriends.com sind als „Interessen“ angegeben: „Squash, Ski, Mountainbiken, Reisen, Sushi, Italienisches Essen“.

Weichler, 52, ist Geschäftsführer der Hanseatischen Baukontor GmbH, und weil ihn die Arbeit als Bauträger sowie seine sportlichen Aktivitäten offenbar nicht auslasten, ist er jetzt ins Verlagsgeschäft eingestiegen. Er will die Stadtzeitschrift Szene Hamburg weiterführen, deren bisheriger Verlag, die HSI GmbH, Ende Februar Insolvenz angemeldet hat (die taz berichtete). Kurz vorher hat Weichler die VKM Verlagskontor für Medieninhalte GmbH gegründet. Einige Redakteure der alten Szene sind bereits zur VKM gewechselt, andere hängen noch in der Luft. Die Grafiker müssen sich neue Jobs suchen, ihre Aufgaben werden outgesourct.

Als Grund für sein Engagement nennt Weichler „Lokalpatriotismus“. Auf die Frage, ob es in seinem Magazin besonders sportlich zugehen werde, reagiert er amüsiert. Um Inhaltliches habe er sich bisher kaum kümmern können, er sei vor allem mit rechtlichen Fragen befasst gewesen. Die entscheidende lautet: Kann er den eingeführten Titel nutzen? Diesbezüglich brachte ein Gespräch, für das den HSI-Mitarbeitern am Donnerstag ein Duo der zuständigen Herbold & Partner Insolvenzverwalter KG zur Verfügung stand, wenig Klarheit. Der taz sagt Weichler: „Wir werden auf jeden Fall ein Journal herausbringen.“ Ohnehin benutzt er den Begriff „Journal“ ziemlich oft. Aus einem Brief der neuen Redaktion an potenzielle Mitarbeiter geht hervor, dass das neue Blatt nicht so heißen werde wie das bisherige, aber so gut wie. Läuft es auf „Szene Hamburg Journal“ hinaus?

Entscheidung Ende März

Fest steht, wer den Anzeigenverkauf für Weichlers erstes Zeitschriftenobjekt übernimmt: die Kumst Medien Vermarktungs GmbH, die bisher Werbung für Sonderobjekte der Hamburger Morgenpost akquirierte (Best of Hamburg, Unser Hamburg, Aufs Land!). Gründerin Tanya Kumst ist nicht schlecht vernetzt: Morgenpost-Verlagsgeschäftsführer Stefan Hilscher ist ihr Schwiegervater, mit Susan Molzow, einer weiteren Geschäftsführerin des Boulevardblatts, hat sie ein Buch herausgegeben.

Ob das Insolvenzverfahren für den HSI Verlag eröffnet werden kann, entscheidet sich bis Ende März. Hauptgläubiger dürfte die Druckerei PerCom aus Westerrönfeld sein. Deren Geschäftsführer gibt keine Auskunft über die Höhe der Außenstände. Ende März will auch Weichler sein „Team“ vorstellen. Vielleicht fängt er dann auch an zu twittern. Kann nicht schaden, wenn man Verleger ist.  RENÉ MARTENS

Der Autor war von 1989 bis 1991 Redaktionsleiter der Szene Hamburg