Der Kampf geht weiter

REALITÄTSCHECK Nach der Entscheidung über die Olympia-Kandidatur messen sich die Sport-Standorte Hamburg und Berlin heute Abend gleich doppelt – auf dem Fußballplatz

Die sportliche Wahrheit sieht in Berlin finster, in Hamburg zappenduster aus

Hamburg gegen Berlin, nächste Runde. Bis vor wenigen Tagen konkurrierte man an Elbe und Spree noch um die Bewerbung für Olympia in Deutschland. Hier wie dort präsentierte man sich als sportliche Großmacht, als wahre Metropole der Leibesertüchtigung. Das Resultat dieses ersten Wettstreits ist bekannt.

Vier Tage später kehrt am heutigen Freitag der sportliche, genauer der fußballerische Alltag ein – und da kommt es zum doppelten Städteduell. Um 18.30 Uhr messen sich mit Union Berlin und dem FC St. Pauli die Kleinen an der Alten Försterei in Köpenick in Liga zwei, zwei Stunden später dürfen in Hamburg die Großen ran – eine Etage höher spielt der Hamburger SV im heimischen Volkspark gegen Hertha BSC.

Und die sportliche Wahrheit, die bekanntlich aufm Platz liegt, sieht eher finster bis zappenduster aus. Beide Begegnungen finden in den Niederungen der Tabelle statt, alle vier Teams müssen noch fürchten abzusteigen – fußballerische Großtaten sind nicht zu erwarten. In Berlin trifft der Tabellendreizehnte auf den Vorletzten der Zweiten Liga, in Hamburg spielt der Fünfzehnte gegen die Nummer vierzehn. Mit Ausnahme von Union haben die Klubs eines jetzt schon gemeinsam: Die Saison ist einigermaßen verkorkst.

Hertha und der HSV hatten beide vor der Saison auf frischen Wind gehofft. Beim HSV war der Profibereich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, Mäzen Klaus-Michael Kühne schoss seinerzeit Geld nach – zudem war Sportchef Dietmar Beiersdorfer zurückgekehrt. Bei der Berliner Hertha konnte man in namhafte neue Spieler wie John Heitinga oder Salomon Kalou investieren. Dank des Investors KKR, der zu Beginn vergangenen Jahres eingestiegen war, war man zwar immer noch nicht sexy, dafür aber auch nicht mehr arm. Beide Klubs standen vor dem Neuanfang – dem wievielten eigentlich?

Inzwischen stehen sowohl die Blau-Weißen als auch die Rothosen mit dem Rücken zur Wand. Scheint sich die Hertha unter dem neuen Coach Pál Dárdai allmählich zu stabilisieren, kann davon in Hamburg noch keine Rede sein. Nach fünf sieglosen Spielen in Folge sah sich Beiersdorfer gerade erst genötigt, Trainer Joe Zinnbauer eine Jobgarantie auszusprechen, die aber fast wie das Gegenteil klingt: „Wir wollen das mit Joe natürlich durchziehen, das ist klar“, sagte er Sky Sports. „Wir müssen trotzdem immer wieder überprüfen, ob die Situation dem angemessen ist.“

Auch bei Union und St. Pauli gibt es Analogien, über deren Rolle als Gegenentwurf zu den Großklubs hinaus. Beide Klubs stehen so solvent da wie wohl noch nie, schrieben zuletzt schwarze Zahlen, dabei standen sie vor wenigen Jahren noch kurz vor dem finanziellen K. o. Und hüben wie drüben hat man nach Umbauten erstligataugliche Stadien, den Fan-Support konnte man schon lange so bezeichnen.

Derzeit aber sind beide Teams der Dritten Liga näher als der ersten – für St. Pauli ist die Lage dabei wesentlich prekärer als für die Eisernen. Union (31 Punkte) kann sich in der erklärten Übergangssaison mit einem Sieg wohl schon aller Abstiegssorgen entledigen und den Aufstieg für die kommende Saison anpeilen. Bei St. Pauli (22) muss man sich auch wegen des schweren Restprogramms bei einer Niederlage auf den Absturz in die Drittklassigkeit einstellen.  JENS UTHOFF