Doppelrolle im Aufmerksamkeitsgeschäft

SOLIST Johannes von Weizsäcker, sonst Teil der genialen Experimentalpopband The Chap, veröffentlich nun sein Debütalbum. Als Erfolg singt er nun Texte auf Deutsch zu simplen Songarrangements. Heute Abend stellt er das Material live im West Germany vor

Guter Trick, sollte man sich merken für den Alltag: „Ich nenn mich Erfolg – dann hab ich immer Erfolg in meinem Leben“, singspricht Johannes von Weizsäcker im Titeltrack „Erfolg“ des Debütalbums „Erfolg“ seines Projektes mit dem Namen – Überraschung! – Erfolg. Dass noch niemand zuvor auf die Idee mit dem selbsterfüllenden Erfolg gekommen ist, war wahrscheinlich bloß zu naheliegend.

Ob das im Fall von Erfolg tatsächlich so funktioniert mit dem Durchbruch, wird man noch sehen. Festzustellen ist aber immerhin: Anfangserfolge haben sich bereits eingestellt. Zumindest ein gerüttelt Maß an Aufmerksamkeit bekommt Erfolg für das nun erscheinende Debüt. Das liegt natürlich nicht zuletzt an Johannes von Weizsäcker. Der Wahlberliner ist schließlich nicht nur Großneffe des kürzlich verstorbenen ehemaligen CDU-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, sondern als Popkritiker für Berliner Zeitung oder Spex selbst im Aufmerksamkeitsgeschäft und – nicht zu vergessen – als Mitglied der experimentellen Londoner Popband The Chap auch kein ganz Unbekannter. Von Weizsäcker hatte also reichlich Gelegenheit, Erfahrung zu sammeln als Kreativer in kommerziellen Grenzbereichen.

Oder, anders gesagt: Der Erfolg, den er bislang mit The Chap hatte, wird nicht so sehr in Euro gemessen, sondern eher in höflichen Analysen der Kritikerkollegen. Dies wird sich, da muss man kein allzu talentierter Prophet sein, auch mit seinem Solo-Projekt nicht grundsätzlich ändern.

Prototypen-Texte

Schon weil von Weizsäcker jetzt zwar erstmals auf Deutsch getextet hat, aber diese Songlyrics doch sehr selbstreferentiell geraten sind. Erfolg berichten aus einer Welt, in der Künstler am Existenzminimum entlang dilettieren, und zwar immer neue Projekte an Theken gestartet werden, aber der Erfolg – eben – sich nicht so recht einstellen will. In den elf Songs des Albums tauchen prototypische Protagonisten auf: Der „Klaviermann“ steht für die kreativen Dienstleister und der „Mausmann“ für die vermeintlichen Gewinner des Hamsterrads. Der „Fachmann“ ist ein unangenehmer Besserwisser, den niemand braucht, und der „Brillenmann“ schließlich ist der Hipster, ein intellektueller Blutsauger, den vor allem eine Eigenschaft auszeichnet: „Brillenmann ist immer schon da.“

Sie alle übernehmen Hauptrollen im Drama des kreativen Prekariats. „Aus dem Strudel unseres Ideenreichtums sind alle Rosinen gepickt“, diagnostiziert von Weizsäcker nicht ohne Humor, aber stellt vor allem mit viel nonchalanter Resignation fest: „Wir sind Desaster.“

Doch ist der Ruf erst mal ruiniert, ist die Freiheit sogar noch größer. Also singt von Weizsäcker Sätze zwischen Dada und Dialektik, Sätze wie diesen: „Das fragmentierte Subjekt stellt sich physisch dar/ Als vielfacher Huldiger vor dem Szenealtar.“ Zugegeben, das ergibt Sinn, es reimt sich sogar, konterkariert in seiner eigentlichen Unsingbarkeit aber die musikalischen Bemühungen um einen simplen, denkbar spartanisch instrumentierten, naiven, ja geradezu kinderliedhaften Pop.

Dazu trägt vor allem ein Ensemble aus Frauenstimmen bei, der dem Chor aus der griechischen Antike gleich das Geschehen und vor allem die Anstrengungen des Vorsängers von Weizsäcker kommentiert: „Damenchor – Erfolgsmotor/ Wir bringen das Beste in ihm hervor.“

Das Beste ist gerade gut genug für einen treffenden Soundtrack zum gegenwärtigen Berliner Kulturleben. Und natürlich: Nie war es so einfach, großen Erfolg zu haben. Man muss nur auf den Namen Erfolg hören.

THOMAS WINKLER

■ Erfolg: „Erfolg“ (Staatsakt/Rough Trade). Record-Release-Party: heute, 21 Uhr, „West Germany“, Skalitzer Str. 133