Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Einen seiner spektakulärsten Stunts organisierte Buster Keaton in der Komödie „Steamboat Bill, Jr.“ (Regie: Charles F. Reisner, 1928): Eine zwei Tonnen schwere Häuserfront wird von einem Orkan umgeblasen und verfehlt ihn aufgrund einer Fensteröffnung im Giebel nur um Haaresbreite, während er – trotz tatsächlicher Lebensgefahr – ungerührt stehen bleibt. Ursprünglich hatte Keaton als Höhepunkt der Geschichte um einen Vater-Sohn-Konflikt, bei dem der anfangs etwas schwächlich erscheinende Student Willie (Keaton) seinem raubeinigen Südstaaten-Vater doch noch seine Brauchbarkeit beweist, an eine Flutkatastrophe gedacht. Doch kurz zuvor waren bei Überschwemmungen Menschen zu Tode gekommen, so dass ihm davon abgeraten wurde. Keaton beschied sich mit dem Sturm und merkte später lediglich an, dass Orkane meist mehr Todesopfer fordern als Überschwemmungen.

Veit Harlans Verstrickung in die Propagandamaschinerie der Nazis und die Frage nach seiner persönlichen Schuld haben die Auseinandersetzung mit seinen Filmen stets überlagert. Doch Harlan war eben auch ein Autorenfilmer mit einem deutlich erkennbaren Stil und bevorzugten Themen. Filme wie Person sind dabei von Widersprüchen geprägt: Die übersteigerten Gefühle und die Szenen großer Künstlichkeit – wie Annas (Kristina Söderbaum) strahlende Vision von Prag in „Die Goldene Stadt“ (1942) – finden ihren Widerpart in Harlans Liebe zur Natur und seinem Gespür für die Inszenierung von Landschaft. Der Gegensatz zwischen Land und Stadt, zwischen den unsteten Figuren, die aus der geistigen und räumlichen Enge ihrer Dörfer ausbrechen wollen, und den bodenständigen Charakteren, die sich in ihrer Heimat eingerichtet haben, erscheint auf den ersten Blick wie geschaffen für die propagandistische Umsetzung der Blut-und-Boden-Ideologie. Tatsächlich aber denunziert Harlan seine Figuren keineswegs: Die Flucht der Bauerntochter Anna vor ihrem starrköpfigen Vater nach Prag wird nämlich durchaus mit Sympathie begleitet – wie Harlan überhaupt stets auf Seiten der Frauen steht. Die nationalistischen Tendenzen des populären Farbfilms liegen viel offensichtlicher an der Oberfläche: Für nahezu jedes Unglück der Hauptfigur werden die Tschechen verantwortlich gemacht, gegen die es mehrere unerfreuliche Ausfälle gibt.

In seinem Debütfilm „Paris qui dort“ (1923) fantasiert René Clair vom völligen Stillstand der Metropole an der Seine: Bis auf wenige Ausnahmen erstarren die Menschen plötzlich. Jene, die sich noch bewegen können, ergehen sich in Allmachtsfantasien: Sie feiern ohne Ende, plündern die Bank und rauben die Mona Lisa – ehe sie schnell feststellen, das dies alles keinen Sinn mehr macht: Man wünscht sich das alte Leben zurück. Die Gags der Komödie belegen vor allem Clairs Interesse an der Burleske, doch die vornehmliche Faszination dieses Low-Budget-Films geht von den Aufnahmen des so ungewohnt ruhigen und „schlafenden“ Paris aus, das hier immer wieder aus der Perspektive eines Wächters vom Eiffelturm betrachtet wird. LARS PENNING

„Steamboat Bill, Jr.“ 10. 12. im Babylon Mitte

„Die Goldene Stadt“ 12. 12. im Zeughauskino

„Paris qui dort“ 8. 12. im Arsenal