Das Aus ist eine Befreiung

OLYMPIA-KANDIDATUR

Dass Berlin ausgerechnet gegen Hamburg verloren hat, ist heilsam gegen die hiesige Großmannssucht

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will lieber mit Hamburg versuchen, Olympische Sommerspiele 2024 oder 2028 nach Deutschland zu holen. Das hat das DOSB-Präsidium am Montag entschieden, und es ist nur eine Formsache, dass der Verband die Empfehlung auf seinem Treffen an diesem Samstag abnickt. Berlin ist also so früh wie möglich aus dem Olympia-Rennen ausgeschieden.

Bitter für die hiesigen Fans des Spektakels – darunter der Senat und viele Chefs von Erstligasportclubs – ist vor allem, dass sich die Sportverbände mehrheitlich für Hamburg ausgesprochen haben. Besonders von ihnen hatte man sich in Berlin in den entscheidenden DOSB-Sitzungen am Sonntag und Montag Unterstützung erhofft, schließlich gelten ja hiesige Sportveranstaltungen wie der Marathon als Garanten für sportlich spannende, organisatorisch solide und begeisterungstechnisch euphorische Ereignisse. Die Niederlage fiel also heftig aus.

Doch das ist nicht schlimm, weil Berlin so um ein weiteres kaum zu kalkulierendes finanzielles Risiko herumkommt. Und es ist sogar gut, weil die Stadt und ihre Bewohner nun die Zeit haben, frei von Olympiadruck darüber zu diskutieren, was aus Berlin in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren werden soll. Denn wenn es dieser Stadt, die so gerne so groß und so bedeutend, ja Weltstadt sein möchte, an etwas fehlt, dann sind es Ideen und Leitbilder für die Zukunft. Wo geht’s hin nach der Ära Wowereit, nach „arm, aber sexy“? Wie kann es der Politik gelingen, einen Zusammenhalt zu schaffen zwischen der immer internationaler werdenden Innenstadt, jenen Schichten, die sich genau diese Gegend nicht mehr leisten können, sozial Schwachen sowie Alteingesessenen, die allen Veränderungen seit 1989 skeptisch gegenüberstehen? Wie wichtig sind Off-Kultur und Wildwuchs, das Unfertige und Schräge? Wovon soll die Stadt – finanziell gesehen – leben?

Und dass Berlin ausgerechnet gegen Hamburg verloren hat – also gegen die einzige andere relevante deutsche Stadt –, ist heilsam gegen die Großmannssucht, der die Hauptstadt immer noch allzu häufig verfällt. Berlin mag wichtig und toll und bekannt und, und, und sein. Aber andere sind das auch. Das darf man bei der Zukunftsdebatte nicht vergessen. BERT SCHULZ