Religiöse Symbolik in der Schule

KOPFTUCH – Am Freitag vergangener Woche entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte nicht mit der Religionsfreiheit vereinbar sei. Die Diskussion darüber ist damit nicht beendet

■ betr.: „Kopftuchurteil. Pegida wird jubeln“, taz vom 13. 3. 15

Bei der Diskussion über das islamische Kopftuch, hier zum aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, werden immer wieder verschiedene Begriffsebenen durcheinandergeworfen. Nun wird das Kopftuch mehrfach verharmlosend als „modisches Accessoire“ betitelt, die Ablehnung dieser Bekenntnisbekleidung in öffentlichen Einrichtungen für öffentlich Bedienstete gar auf der Titelseite in Pegida-Nähe und Islamfeindschaft gerückt, mit der Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche argumentiert.

Auf Seite 11 der gleichen Ausgabe („Pakistans afghanische Sündenböcke“) sieht man ein Foto einer Afghanin, die durch ein vergittertes Guckloch aus ihrer Burka in die Welt späht. Das sieht nicht besonders freiwillig, selbstbewusst und angenehm aus und ist, wie wir alle wissen, sicher nicht freiwillig, wie in vielen islamischen Ländern, mit zunehmender Tendenz. Wie mir scheint, ist das eine islamische Kopftuch hier – wie auch immer es persönlich gemeint ist – nicht zu trennen von der islamischen Verschleierung woanders. Es drückt Geschlechterapartheid aus und die Unterwerfung der Frauen unter eine für das Geschlecht vorgeschriebenen Rolle.

Wenn wir unser Urteil über kulturelle Erscheinungen wie das Kopftuch nicht in einen größeren, globaleren Rahmen stellen, verlieren wir den Überblick und verfallen dem Kulturrelativismus. Dann gelten die Menschenrechte nur für uns Bio-Europäerinnen und nicht für unsere muslimischen Schwestern.

LUCIA ALEKNA-HANSEN, Hamburg

■ betr.: „Das Kopftuch ist frei“ u. a., taz vom 14. 3. 15

Jetzt ist es endlich erreicht. Lehrerinnen dürfen vorführen, dass Frauenhaare nicht gezeigt werden dürfen. Orthodoxe verschiedenen Grades werden den „wahren Glauben“ propagieren und Mädchen ohne Kopftuch verstärkt als Schlampen verunglimpfen. Ich fürchte, dass in einigen Jahren in vielen Schulklassen die Mädchen ohne Kopftuch hinten sitzen müssen, damit die „Anständigen“ (Mädchen wie Jungen) nicht ihren Anblick ertragen müssen. In die Schule gehören keine religiösen Symbole, Ausnahme freiwilliger Bekenntnisunterricht.

Das Kopftuchurteil hat mein Ansehen für die Justiz reduziert.

KLAUS KRAUSE, Berlin

■ betr.: „Das Kopftuch ist frei“ u. a., taz vom 14. 3. 15

Es ist ja nicht nur das Kopftuch. Viele Kopftuchträgerinnen, tragen unter demselben noch ein schwarzes Käppchen, um den Haaransatz zu verbergen. Das befremdet mich sehr. Was ist an einem Frauenhaaransatz so schlimm, dass er verdeckt werden muss? Was an Frauenarmen, dass sie auch bei heißer Witterung von langen Ärmeln bedeckt sein müssen?

Diese Fragen stellen sich bald vielleicht auch Jungen und besonders Mädchen. Wichtig ist, was in dem Kopf unter dem Kopftuch vorgeht, heißt es. Was geht in ihm vor, wenn im Sommer Mädchen und junge Frauen vor ihm sitzen in Shorts, Miniröcken und Tops mit Spaghettiträgern?

BEATE SCHMIDT, Borchen

■ betr.: „Das Kopftuch ist frei“, taz vom 14. 3. 15

Zum einen verlangt der Gesetzgeber Toleranz gegenüber Andersdenkenden, anderen Kulturen und Religionen, lebt aber eine nicht verständliche Intoleranz vor. Es ist einfach unverständlich, welches Problem viele Menschen mit dem Kopftuch haben, welches seit Jahrzehnten, auch hier in Gesamtwesteuropa, zum gewohnten Straßenbild gehört. Das Kopftuch im Islam stellt keinerlei Sinnbild für Unterdrückung oder islamischen Terrorismus dar, sondern gehört zur ganz normalen Kleidungstracht orientalischer Frauen. Menschen, die das Kopftuch sowie den Islam mit dem derzeitigen Terrorismus der IS oder Boko Haram gleichstellen, sollten sich einmal überlegen, was sie machen würden, wenn man katholische Priestertracht mit sexuellem Vergehen an Kindern oder Jugendlichen gleichsetzen würde. Auch sollten sich diejenigen, die das Kopftuch pauschalisiert als Symbol für Terrorismus oder Unterdrückung sehen, einmal überlegen, was sie sagen würden wenn man sie, nur wegen des Verhaltens einiger radikaler Rassisten und Neofaschisten, mit diesen Demonstranten in einen Topf werfen würde, nur weil sie auch Deutsche wie diese politische Außenseiter sind. Weiter sollte man sich überlegen, dass es gerade die Katholische Kirche ist, die es nicht schafft, eine Gleichberechtigung für Frauen in die Tat umzusetzen. Man verlangt von Nonnen, dass sie ihr Haupt bedecken, so dass nur das Gesicht sichtbar ist, und dass es Frauen in der Katholischen Kirche im 21. Jahrhundert immer noch verwehrt ist, Priester, Bischof, Kardinal und Papst zu werden.

Die Tatsache, dass es sich bei den Klägerinnen um muslimische Frauen handelte, zeugt für den Beweis, dass es im Islam zur Genüge Frauen gibt, die Selbstbewusstsein und Charakterstärke haben, ihr Recht alleine vor Gericht zu erstreiten und in der Gesellschaft zu bestehen.

GEORG DOVERMANN, Bonn

■ betr.: „Das Kopftuch ist frei“, taz vom 14. 3. 15

Im deutschen Grundgesetz ist Religionsfreiheit fest verankert. Dementsprechend sollte ein Kopftuch bei einer Lehrerin grundsätzlich toleriert werden. Einschränkungen sollte es dann geben, wenn LehrerInnen islamistische Parolen oder Propaganda verbreiten. Auch eine Ganzkörperverschleiung wäre sehr problematisch. Aber das Tragen eines Kopftuchs ist noch lange kein Indiz für mangelndes pädagogisches Talent!

JULIA ENGELS, Elsdorf

■ betr.: „Das Kopftuch ist frei“, taz vom 14. 3. 15

Ich begrüße das Urteil. Die Religions- und Meinungsfreiheit ist ein hohes, stets neu zu verteidigendes Gut. Nun können uns die Islamisten nicht mehr vorhalten, wir würden unsere eigenen Grundsätze missachten. Den im Urteil vorhandenen Hinweis auf den Schulfrieden finde ich richtig und ausreichend. Wenn eine Kopftuch tragende Lehrerin fundamentalistisch-antidemokratische Ansichten vertritt, überschreitet sie damit die Grenze, was zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen muss.

CHRISTIAN FUCHS, Gutensetten

■ betr.: „Das Kopftuch ist frei“, taz vom 14. 3. 15

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil gefällt, das spaltet und nicht versöhnt. Vielleicht kann man es so zusammenfassen. Ein guter Tag für die Religionsfreiheit. Ein schlechter Tag für die Gleichstellung der Frau.

Der Druck auf die Mädchen in der Schule wird wachsen, eine „gute Muslima“ zu sein und sich zu bedecken, wenn sogar das Vorbild Lehrerin eines trägt. Und auch muslimische Lehrerinnen, die sich gegen das Kopftuch entscheiden, werden nun verstärkt von den konservativen Kreisen unter Druck gesetzt.

Erdogan wird einen Ayran auf das Urteil getrunken haben.

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