Marie schlägt Udo

TOUR Mit der richtigen Motivation – und der richtigen Garderobe – über alle Berge

Es ist die erste längere Tour der Saison, „Anradeln“, so nennen das die Fahrrad-Fachkräfte vom ADFC. Klingt nach frisch-fröhlichem Anfang, dem ja bekanntlich immer ein Zauber innewohnt. Ein Zauber, der sich auf diesem Ausflug schnell als fauler darstellt. Weser-berg-land! Eine Zusammenballung, in der das mittlere Substantiv seit jeher völlig unterschätzt wird.

Ja, es gibt dort Steigungen, die durchaus an die Bergetappen der Tour der France erinnern, etwa an die über den Vogesenpass Col du Hundsruck (748 m). Vor allem dann, wenn das Fleisch noch verdammt schwach ist, also ziemlich untrainiert. Da kann der Geist anfangs noch so willig, so fröhlich gestimmt sein – nach zwanzig Kilometern und Hunderten von gefühlten Höhenmetern will er nicht mehr.

Der Mensch schwächelt. Er stöhnt und ächzt. Er flucht. Und da kommt dann Udo Bölts ins Spiel. Einer macht immer den Bölts. Das ist seit 1997 so üblich. 1997, am 24. Juli, war es diesem Radprofi vergönnt, einen Satz auszustoßen, der längst so etwas Ähnliches wie immaterielles Welterbe geworden ist. „Quäl dich, du Sau!“, damit trieb er seinen verschnupften Kapitän Jan Ullrich über den Col du Hundsruck und letztendlich zum Tour-de-France-Sieg. Ein Satz, der seitdem Millionen Mal zitiert, gebrüllt und gekeucht worden ist. Und der verständlicherweise auch als Titel der Biografie herhalten muss, die der Udo vor ein paar Jahren vorgelegt hat.

Gut, mittlerweile will man wissen, dass nicht nur er allein über den Berg geholfen hat. Ullrich soll auch noch über andere kleine Helfer verfügt haben. Pharmakologisch wirksame, wenngleich verbotene Substanzen. Bleiben wir lieber im Weserbergland. Dort erinnert ein anscheinend belesener Radfahrer, dass es jenseits von Apotheke und Brachialansprache noch anderes gibt. Er lobt Marie, das Motivationstalent. Eine wundervolle Person. Auf dem Rad trägt sie „schwarze Kniehosen aus Serge und ein kurzes Jäckchen aus dem gleichen Stoff über einer rohseidenen Bluse“. Keine Funktionsjacke in Gelb oder Entsorgungsorange. Keinen Fahrradhelm.

Und als ihrem Begleiter am erstbesten Hügel die Puste ausgeht, spricht Marie folgendermaßen zu ihm: „Wenn eine kleine Steigung kommt, die nicht zu anstrengend ist, so ist das etwas Überraschendes, Neues, das Sie antreibt und belebt. Und es tut so gut, seine Kraft zu fühlen und trotz Regen, Wind und Steigungen voranzukommen.“ Marie! Eine Figur Emile Zolas, der dem Radfahren in seinem Roman „Paris“ eine prächtige Eloge gesungen hat. Marie – eine Pariserin.

Udo Bölts stammt aus der Pfalz. HELMUT DACHALE