„Von der Leichtigkeit gefestigter“

BUNDESLIGA Beim 1:0-Auswärtssieg auf Schalke präsentiert sich Bayer Leverkusen als Mannschaft mit Perspektive. Beim Revierklub hingegen muss Trainer Roberto Di Matteo weiter an ein paar Veränderungen basteln

„Wir haben zu viele Fehler im Spielaufbau gemacht, sind nie richtig ins Spiel gekommen, um Situationen zu gestalten“

ROBERTO DI MATTEO

AUS GELSENKIRCHEN DANIEL THEWELEIT

Roberto Di Matteo sah sich am Samstagabend veranlasst, eine Floskel aus der Finsternis des Abstiegskampfes hervorzukramen, als er gebeten wurde, die neue Tabellenkonstellation zu deuten. „So lange es noch theoretisch möglich ist, müssen wir daran glauben“, sagte der Trainer des FC Schalke 04, dessen Team gerade mit 0:1 gegen Bayer Leverkusen verloren hatte. Das klang eher nach vager Hoffnung als nach Zuversicht.

Die Schalker wirkten mal wieder ziemlich ratlos. Und das lag weniger daran, dass Leverkusen seinen Vorsprung auf den direkten Konkurrenten aus Gelsenkirchen mit diesem kostbaren Sieg auf sechs Punkte ausbauen konnte. Vielmehr fehlen Schalke Niveau und Konstanz, der Trainer und seine Mannschaft finden kein dauerhaft funktionierendes Rezept.

Nach der schlimmen Niederlage in Dortmund vor drei Wochen hatte Di Matteo ja angekündigt, „grundsätzlich zu überlegen, wie es in Zukunft weiter geht“, hatte personelle und taktische Konsequenzen angekündigt und einige Veränderungen vorgenommen. Heraus kam ein beeindruckender Auftritt bei Real Madrid, Leroy Sané machte Hoffnung, Max Meyer erfuhr eine größere Wertschätzung, und es gab einen Sieg gegen 1899 Hoffenheim.

Jetzt ist der Effekt verpufft. Am Samstag wechselte Di Matteo Sané nach 41 Minuten aus – eine schwer nachvollziehbare Bloßstellung des 19-Jährigen. „So was zu erleben ist nicht schön, aber es wird den Leroy nicht umwerfen“, sagte Horst Heldt mit dünnen Lippen. Wenn nicht alles täuscht, war auch der Manager der Ansicht, dass Di Matteo mit dieser Maßnahme ruhig bis zur Pause hätte warten können.

Aber das war nur ein Puzzlestück im Schalker Bild des Misserfolges. Schon wieder wurde über den armen Torhüter Timon Wellenreuther diskutiert, der Karim Bellarabis 1:0 aus spitzem Winkel wohl hätte verhindern müssen (35.). Zudem verteidigte Schalke in vielen Momenten viel zu zögerlich und körperlos.

Am frappierendsten ist aber: Es fehlt ein Konzept bei eigenem Ballbesitz. „Wir haben zu viele Fehler im Spielaufbau gemacht, wir sind nie richtig ins Spiel gekommen, um die Situationen selbst zu gestalten“, sagte Di Matteo. Das waren Sätze, die auf viele Schalker Spiele der vergangenen Wochen passen. Nur eines der jüngsten sechs Bundesligaduelle konnten sie gewinnen.

Zwar hatten die Schalker auch Pech, weil Schiedsrichter Peter Gagelmann zwei strittige Szenen im Leverkusener Strafraum gegen Schalke auslegte: Hilbert war ein Schuss von Boateng an den Arm geflogen, und einmal hätte man auf vom Torwart mit der Hand aufgenommenen Rückpass entscheiden können. Aber niemand bestritt, dass Leverkusens Sieg verdient war. Die Gäste seien einfach „sehr frisch“ gewesen, stellte Heldt fest, „von der Leichtigkeit im Kopf wirkten sie gefestigter als wir“.

Das war bemerkenswert nach dem unglücklichen Aus in der Champions League und den 120 anstrengenden Minuten, die die Werkself am Dienstag bei Atlético Madrid absolviert hatte. Aber genau hier liegt einer der Unterschiede zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04 in diesen Märzwochen: Die Gelsenkirchener haben sich von ihrem viel beachteten Auftritt bei Real Madrid eine Woche zuvor nicht beflügeln lassen, während in Leverkusen „der absolute Wille“ entwickelt wurde, „in der nächsten Saison wieder in der Champions League dabei zu sein“, meinte Trainer Roger Schmidt. „Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt sind wir in unserer Spielweise gefestigt.“

Außerdem steht der derzeit wohl beste Keeper nach Manuel Neuer im Bayer-Tor. Schon früh wehrte Leno einen kaum haltbaren Schuss von Huntelaar ab, der 23-Jährige strahlt eine enorme Ruhe aus, spielt seit Wochen fast fehlerfrei. „Er ist die Nummer zwei in Deutschland“, sagte dann auch Sportdirektor Rudi Völler.