ATMEN OHNE PAUSE
: Schlachtungsdetails

Ich stehe und gucke, blättere durchs Buch

Die Straße runter höre ich wen durchs Megafon rufen. Was gerufen wird, ist kaum zu verstehen, aber als ich näher komme, kann ich es nachlesen. „Euer Essen hatte mal ein Gesicht!“, steht auf dem Schild, das ein paar halten, die vorm Fleischer stehen. Prima, denke ich und nicke ihnen zu, und dann denke ich, ob ich ihnen sagen soll, dass man kaum was versteht. Vielleicht wäre Supermarkt besser, hallende Gänge, da dröhnt das Megafon richtig gut. Aber ich sage nichts, ich muss schnell weiter, gleich kommt ’ne Freundin vorbei.

An meinem Briefkasten im Flur bleibe ich dann aber doch plötzlich stehen, ganz schön lange sogar. Ich stehe und gucke, blättere durchs Buch, das ich gerade aus der Post geholt hab. „Atmen ohne Pause“. Keine Ahnung, ob der Titel dran schuld ist oder das Foto, aber immer wenn ich da aufs Cover schaue, atme ich tief. Gleich nochmal probiere ich das aus; da bin ich wie ’n Baby: kaum was Neues, Tolles entdeckt, mache ich das ohne Ende. Umschlag, gucken, atmen. Klappt.

„Krass“, denke ich, und als mein Besuch kommt, teste ich es an ihr. „Kennste das?“, frage ich sie und halte ihr das Cover unter die Nase. „Nee“, sagt sie, aber bevor sie das sagt, atmet sie einmal tief durch. Ganz sicher bin ich mir da. „Krass“, denke ich noch mal und dann: „Klasse Buch.“

Mein Besuch denkt das auch, zu zweit blättern wir’s durch, und immer wenn die Fotos unseren Atem stocken lassen, klappen wir’s zu und gucken aufs Cover. Und weil das Buch um Tiere geht, fällt meiner Freundin plötzlich was ein. „Schlachten letztens“, sagt sie. „Hab ich erzählt? Soll ich erzählen? Beil, Blut, Haut ausschaben fürs Fett?“

Ich überlege. Schlachtungsdetails sind toll, finde ich, denn mit denen im Kopf schaut man Fleisch im Supermarkt gleich ganz anders an. „Ja“, sag ich also. Nur auf das Buchcover gucke ich dann doch lieber, als sie dann loslegt, atme tief durch, atme ohne Pause. JOEY JUSCHKA