ANJA KRÜGER ZUM DEUTSCHEN EXPORTÜBERSCHUSS
: Weltrekord ohne Europa

Die Stärke der deutschen Exporteure hat einen Preis – und den zahlen nicht die Unternehmen

Die exportorientierten Unternehmen in Deutschland sind ungeheuer flexibel. Brechen Märkte weg, etwa im krisengeplagten Süden der Europäischen Union, suchen sich die Hersteller von Maschinen, Autos, Chemikalien und anderen Exportschlagern eben neue Kunden anderswo. Sie weichen aus dem Euroraum aus nach Großbritannien, in die USA oder nach China. So kommt Deutschland in einer Zeit, in der in anderen Ländern des gemeinsamen Wirtschaftsraums vieles zusammenbricht, auf einen neuen Höchststand.

Die Stärke der deutschen Exporteure hat einen Preis – und den zahlen nicht die Unternehmen. Produkte „made in Germany“ sind nicht nur weltweit konkurrenzfähig, sie bestimmen vielfach die Wettbewerbsbedingungen. Deutsche Firmen verdrängen einheimische Produzenten. Niedrige Löhne und die hohe Produktivität in Deutschland lassen Preise zu, mit denen sie aus dem Weg geräumt werden.

Die erzielten Gewinne nutzen die Exporteure aber nicht, um sie am Ursprungsort ihres Entstehens zu reinvestieren. Jedenfalls nicht in einem angemessenen Umfang. Wenn steigende Ausfuhren aber nicht zur Wohlstandssteigerung beitragen, gibt es keinen Grund, Rücksicht auf die Exportfähigkeit zu nehmen. Genau so geschieht das aber in Deutschland: Hierzulande geht seit Jahren das ausschließlich auf Exporten basierende Wirtschaftswachstum an den Beschäftigten vorbei.

Während die Firmengewinne steigen und steigen, müssen die Beschäftigten Reallohnverluste hinnehmen – oft genug eben mit dem Argument, der Export würde sonst leiden. Doch zu große Bescheidenheit bei Lohnforderungen ist nicht nur für die ArbeiterInnen und Angestellten in der Bundesrepublik schlecht. Es schadet auch den Beschäftigten und den Volkswirtschaften jenseits der Grenzen enorm.

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