Kirchdorf-Süd ohne Integration

Ab 2008 soll in jedem Bezirk Hamburgs ein Integrationszentrum stehen. Allerdings auf Kosten alter Einrichtungen. Träger sehen Mittel falsch verteilt: Brennpunkte stehen plötzlich ohne Angebot da

VON MAIKE WÜLLNER

Hamburg hat die Integrationsförderung von Migranten ausgeweitet – zumindest auf neue Stadtteile. Ab 2008 soll in jedem Bezirk der Stadt ein Integrationszentrum dafür sorgen, dass Zuwanderer mit Sprachkursen und Beratung unterstützt werden. Einige Träger dieser Einrichtungen äußern jetzt ihren Unmut. Sie kritisieren, dass das neue Konzept den Bedarf der Regionen nicht korrekt berechne.

Schon 2006 hatten sich Träger, Bezirke und Behörde geeinigt, an den verschiedenen Standorten den Bedarf zu ermitteln und neu zu verteilen. „Dabei gab es mehrere Indikatoren“, sagt Jasmin Eisenhut, Pressesprecherin der Behörde. Erhoben wurde etwa die Zahl der Ausländer und Aussiedler oder der Empfänger von Sozialleistungen.

Folge der Studie war die Entscheidung, Mittel aus dem Topf der bisherigen Zuwendungen in Höhe von 1,96 Millionen Euro neu zu verteilen, beziehungsweise für neue Standorte auszuschreiben. Der Gesamtetat sei außerdem um 100.000 Euro aufgestockt worden, sagt Eisenhut. Neue Integrationszentren gibt es jetzt in den Bezirken Wandsbek, Eimsbüttel, Nord oder Bergedorf. Hamburg-Mitte erhält zukünftig weniger Geld. „Wir haben die Verteilung der Integrationsstätten dezentralisiert, um Angebote näher an den Wohnort zu bringen“, sagt Eisenhut. Früher habe sich alles auf Mitte konzentriert. Sie hält die Maßnahmen für „durchweg positiv“.

Reyhan Güzel, Mitarbeiterin in einem Integrationsbüro des Trägers Vericom in Kirchdorf-Süd, sieht das differenzierter: „Es ist zu begrüßen, dass jeder Bezirk ein Zentrum bekommt, aber für die Leute in Kirchdorf-Süd bedeutet das jetzt weitere Wege.“ Denn in dem sozialen Brennpunkt am südlichen Stadtrand wird zukünftig kaum noch Integration stattfinden. Da Vericom weniger Mittel erhalten habe, müssten Stellen abgebaut werden. Die Geschäftsleitung wolle die zwei verbleibenden Stellen auf den Standort Wilhelmsburg konzentrieren, damit zumindest noch in einem Integrationszentrum gut gearbeitet werden könne, sagt Güzel.

Selbst die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die den Zuschlag für drei neue Zentren in Nord und Wandsbek erhalten hat, sieht keinen Sinn in den Kürzungen in Hamburg-Mitte. „Hier herrscht ein großer Zulauf an Zuwanderern, die aus anderen Bezirken kommen“, räumt Imme Stöffers von der AWO ein. Faktisch seien dies aber keine Kürzungen – das Geld würde nur anderen Bezirken zugeführt werden, die bisher nicht abgedeckt wurden.

Die Interkulturelle Begegnungsstätte (IKB) führt in Eimsbüttel ein neues Zentrum. Andererseits stehen dem bisherigen Zentrum in St. Pauli neuerdings statt 210.000 nur noch 35.000 Euro zur Verfügung. Wie in Kirchdorf-Süd falle damit ein Zentrum weg, das vor allem Frauen angezogen habe, sagt IKB-Leiterin Nebahat Güçlü. Außerdem dürften die Zentren nur noch Vorarbeit für Job-Centren leisten. „Unser Verständnis von Integrationsarbeit sieht anders aus.“ Da kein Rechtsanspruch auf die Gelder bestünde, hätten sich alle mit der neuen Verteilung einverstanden erklärt. Ihrer Ansicht nach reicht der Gesamtetat aber ohnehin nicht aus: „Die Zahl der Menschen mit Integrationsbedarf ist höher, als die Behörde das formuliert“, sagt Güçlü. „Die Gelder für Integration machen nicht einmal 0,01 Prozent des Haushalts aus. Das Tierheim Süderstraße bekommt genauso viel.“