„Dienstherr darf Lehrer nicht als Raubkopierer hinstellen“

SCHULTROJANER Lehrerlobbyist Udo Beckmann will verhindern, dass Prüfsoftware Schulrechner filzt

■ leitet die zweitgrößte deutsche Lehrergewerkschaft „Verband Bildung und Erziehung“. Er ist von Hause aus Lehrer für Mathematik, Physik und Biologie. Beckmann war lange Jahre Schulleiter.

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER

taz: Herr Beckmann, die Kultusminister wollten ihnen die Bedenken gegen die Plagiatssoftware wegmassieren. Konnte das gelingen?

Udo Beckmann: Nein, denn ich finde, der ganze Ansatz des Misstrauens und Kontrollierens ist falsch. Ich erwarte eine klare Ansage von den Kultusministern, dass sie einen anderen Weg einschlagen. Unsere Dienstherren dürfen keine sogenannte Plagiatssoftware zulassen, um LehrerInnen als vermutliche Raubkopierer zu enttarnen.

Das heißt: Darf die Software kommen?

Auf keinen Fall. Wir brauchen eine Alternative.

Wie kann die aussehen?

Wir sollten das Pferd nicht von hinten aufzäumen und nachträglich kontrollieren, ob jemand Lehrwerke kopiert hat. Die Kultusminister und die Schulträger müssen vorher die finanziellen Bedingungen schaffen, damit die Schulen die notwendigen Lizenzen erwerben können. Dass in Deutschland die Bildungsfinanzierung internationalen Vergleichen nicht standhält, ist doch in den Schulen mit Händen zu greifen.

Was heißt das konkret?

Wenn Lehrer einen reichhaltigen Unterricht anbieten wollen, dann darf man sie eben nicht durch knappe Kassen dazu bringen, sich Sachen selbst zu organisieren. Sehen sie, allein wegen der veralteten Bücher oder unzureichender Klassensätze müssen Lehrer aus Aktualitätsgründen doch Kopien herstellen. Die Schulträger müssen das also bezahlen und dürfen es nicht bestrafen, so heißt unsere Maxime.

Und wie geht es weiter, wenn Verlage und KMK doch an der Lehrerüberwachungssoftware festhalten?

Wir werden nicht lockerlassen, dagegen zu kämpfen. Wir werden die Datenschutzbeauftragten anrufen, damit sie prüfen, was da eigentlich programmiert wird. Wenn Lehrer damit kriminalisiert werden oder wenn man auf ihre persönlichen Daten zugreifen kann, dann werden wir das verhindern.

Wie geht es den Lehrern mit der Kontrollsoftware?

Sie sind erbost. Sie sind wütend und enttäuscht, dass in den Schulen Methoden eingesetzt werden sollen, die sie durchleuchten und ihnen die Arbeit erschweren. Von Lehrern wird – seit Pisa umso mehr – erwartet, ihren Schülern einen spannenden und fördernden Unterricht mit vielen verschiedenen Methoden und Aufgaben zu bieten. Sie sind bestrebt, die Urheberrechte zu respektieren – und merken, dass sie dennoch unter Generalverdacht gestellt werden. Dagegen verwahren sich die Lehrer, und wir tun das auch.

Laut IT-Experten ist ein Schultrojaner, der ausschließlich nach Lehrwerken sucht, gar nicht programmierbar. Eine solche Software muss alle Textdateien in einem Rechner scannen, um Kopien von Schulbüchern zu identifizieren.

Genau da liegt das Problem. Man hätte die Datenschutzbeauftragten viel früher einbeziehen müssen. Der ganze Aufwand lohnt sich doch gar nicht, wenn eine Plagiatssoftware nicht unbedenklich programmierbar ist. Die Kultusminister müssen umkehren. Ich verstehe die Schulbuchverlage, dass sie Erlöse für ihre Produkte erzielen wollen. Dafür gibt es aber eine ganz schlichte Lösung: Gebt den Schulen das notwendige Geld, so dass sie Lehr- und Lernmittel und die Lizenzen für die Lernsoftware zur Individualisierung des Unterrichts kaufen können.