LESERINNENBRIEFE
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Idiotisches Wirtschaftssystem

■ betr.: „Verdienen wie die Lehrer“, taz vom 23. 3. 15

Die miserable Entlohnung all der Menschen, die in der sozialen Arbeit schuften, sollte man nicht mit den Lehrern als ebenfalls sozialen Berufen, sondern mit der der Beschäftigten in der Hightechindustrie, zum Beispiel Automobilindustrie vergleichen. Da gibt es zwei wesentliche Argumente, die man in den Diskussionen über das Problem bisher nicht hört: Zum einen sind die Qualifikationen wie die Belastungen in der sozialen Arbeit weitaus höher als die in einer beliebigen Industrie. Der Umgang mit Kindern, Kranken, Alten erfordert in hohem Maße Empathie und Kommunikationsfähigkeiten, psychologische und medizinische Kenntnisse; er erfordert aber auch enorme Stress-Stabilität, Geduld, Umgang mit „schmutzigen“ Dingen. Im Vergleich dazu müssen Beschäftigte in der technisierten Industrie nur mit Technik umgehen – die ist viel weniger komplex, hat keine Gefühle, reagiert in der Regel auf Knopfdruck. Maschinen weinen nicht, stöhnen nicht unter Schmerzen, reagieren meist berechenbar. Zum anderen richten die Menschen in der sozialen Arbeit vergleichsweise einen Bruchteil des ökologischen Schadens an, den die Beschäftigten in den hochtechnisierten Industrien anrichten: Der „ökologische Rucksack“ eines Arbeitsplatzes dort dürfte um mehrere Größenordnungen schwerer sein, die Energie, die ein Handgriff in Bewegung setzt ein Vielfaches. Je „produktiver“ die Fabrik ist, desto mehr belastet sie die schon um den Faktor 1,5 überlastete Biosphäre. Aus diesen Gründen müsste man die sozialen Berufe um ein Vielfaches höher bezahlen als die technisch geprägten.

Es kennzeichnet unser idiotisches Wirtschaftssystem, dass es genau umgekehrt tickt, das auch noch mit der größeren „Wertschöpfung“ in der Techno-Industrie begründet (bei diesem Begriff von „Wert“ geht’s nur um Geld und nicht um die Lebensgrundlagen) und dort die stärksten Gewerkschaften hat. WOLFGANG NEEF, Berlin

Keine Transparenz

■ betr.: „Verdienen wie die Lehrer“, taz vom 23. 3. 15

Vielen Dank, dass Sie durch die Angabe von Bruttogehältern die Aussage der schlechten Bezahlung einmal transparent machen. In meinen Augen kann entweder davon keine Rede sein oder Sie sollten einmal eine Recherche über die Bezahlung von Architekten, Grafikern … durchführen und darüber berichten. Hinzuzurechnen sind allerdings weiterhin die Anzahl der Wochenstunden, der Urlaubstage, der Anzahl der Monatsgehälter. Vergleichbar sind in meinen Augen nur Jahresentgelte möglichst bezogen auf die Jahresarbeitsstunden. Wir brauchen nicht nur eine Transparenz zwischen Männlein und Weiblein, sondern zwischen tarifvertraglich bezahlten Menschen und denen, die frei vereinbart bezahlt werden. Man kann Tarifforderungen nicht einordnen, wenn diese Dinge nicht offen diskutiert werden, sondern man in Tarifauseinandersetzungen nur Prozentforderungen erfährt. Im Übrigen ist meines Wissens der Lehrerberuf ein Hochschulstudium mit vorangegangener 12- bis 13-jähriger Schulausbildung. Wenn dieser Lernaufwand sich auch in diesen Fächern nicht mehr lohnt, werden wir keine Lehrer mehr bekommen.

SABINE HABERMANN-LORENTZEN, Wittmar

Ein Anti-Überkoch-Topf

■ betr. „Wahre Momente der Geschichte: Vorgestern, zu Hause in der Küche“, taz vom 23. 3. 15

Um den Problemen und Konflikten in der Welt ein klein wenig zu entrücken, ist die Lektüre „Die Wahrheit“ ein guter Ort. Aber auch hier ist – trotz allem Spaß – Aufmerksamkeit geboten: Es gibt einen Anti-Überkoch-Topf. Nach vielen Jahren habe ich ihn vor vielen Jahren – mit Hilfe einer „alten“ Frau gefunden: einen doppelwandigen Topf, der im Hohlraum mit Wasser gefüllt wird und eine schreckliche Pfeife auf dem Einfüllloch hat. Fertig und die Milch in den Topf. Wenn das Wasser im Hohlraum kocht (und die Milch heiß ist), dann pfeift es weit hörbar. Auch zum Milchaufschäumen und für Kakao geeignet. So viel Wahrheit muss sein. KARIN SCHÜLER, Bonn