„Lieber spät, als gar nicht“

Im niedersächsischen Süpplingen ist ein NPD-Mitglied Kirchenvorstand. Nun hat ihn der Propsteivorstand aufgefordert, sich zwischen NDP und Kirchenamt zu entscheiden – bis übermorgen

ANDREAS WEISS, 53, ist seit fünf Jahren Propst der Stadtkirchengemeinde Königslutter.

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Herr Weiß, wie strittig war bei Ihren Beratungen im Propsteivorstand, dass die NPD eine antichristliche Haltung vertritt?

Andreas Weiß: Wir sind da zu einer sehr einheitlichen Meinung gekommen. In der Analyse des NPD-Parteiprogramms hat sich herausgestellt, dass es mit den Grundlagen unseres Glaubens nicht vereinbar ist.

In welchen Punkten nicht?

Wir als Christen sagen, dass alle Menschen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und von daher gleich sind. Die NPD bezeichnet das als „Dogma der angeblichen Gleichheit“ und argumentiert nach einer Rassentheorie, wonach es Deutsche gibt und dann noch andere Menschen. Ihre Forderung, dass deutsche Kinder nicht mit ausländischen Kindern zusammen in einer Klasse sein sollen, ist für uns ausgeschlossen. Zudem zeigt die NPD einen dramatischen Antisemitismus, sie spricht zum Beispiel über den Zentralrat der Juden als Gäste.

Bezieht sich die NPD auch direkt auf die Kirche?

Auf der Internetseite des Landesverbandes Bremen stand: „Das Christentum ist eine artfremde, orientalische Wüstenreligion. Der Niedergang der christlichen Kirchen eröffnet zudem die Möglichkeit eines Neubeginns, der in den Vorstellungen unser Ahnen wurzeln sollte.“ Da ist es schon berechtigt, dass wir einen Mann, der als Kirchenvorsteher ein kirchliches Amt ausübt, vor die Wahl stellen, ob er die NPD oder die Kirche vertritt.

Hat es für Sie die Entscheidung erschwert, dass die NDP als Partei in Deutschland zugelassen ist?

Wir können nicht nur gucken, was das Bundesverfassungsgericht entscheidet, zudem da ja Verfahrensfehler eine entscheidende Rolle gespielt haben. Wir müssen uns selbst von unseren Inhalten her positionieren. 1932 hat die Kirche nur abgewartet. Da gab es keine Gesetze.

Adolf Preuß ist bereits seit einigen Jahren NDP-Gemeinderat. Warum setzt sich die Kirche so spät mit damit auseinander?

Als Preuß 2001 Gemeinderat für die NPD wurde, war er bereits im Kirchenvorstand. Vorher war er für eine freie Wählergemeinde aktiv – wer weiß schon genau, was das für Leute sind? Preuß ist ein freundlicher Mensch, hilfsbereit und hat bisher auch keine große Propaganda betrieben. Aber als er für die NPD gewählt wurde, veränderte sich die Lage. Und es kochte hoch, als vor einem Jahr die neuen Kirchenvorstandswahlen anstanden.

Vor allem kochte es hoch, weil die Presse berichtete.

Das kam dazu. Innerhalb des Ortes wurde schon vorher über diese Frage diskutiert. Aber natürlich wurde es durch die Medienberichte intensiviert und schließlich wurden wir als leitende Stelle der Kirche eingeschaltet. Natürlich haben wir spät reagiert – aber lieber spät als gar nicht.

Haben Sie direkt mit Adolf Preuß gesprochen?

Der 67-jährige Adolf Preuß ist seit Jahrzehnten NPD-Mitglied. Ein öffentliches Amt für die NPD bekleidet er seit 2001 im Gemeinderat, zuvor vertrat er eine Wählergemeinschaft. Der Propsteivorstand Königslutter, der für die Gemeinde zuständig ist, hat Preuß nach einer Analyse des Parteiprogramms aufgefordert, sich zwischen Kirchenamt und NPD zu entscheiden.  GRÄ

Es gab zwei Gespräche, in denen wir ihm auch NPD-Zitate vorgelegt haben. Wir haben auch Hilfe bei einem Ausstieg aus der Partei angeboten. In der Braunschweiger Zeitung hat er inzwischen verlautbaren lassen, dass er nicht sähe, warum man Unterschiede zwischen Kirche und NPD machen müsse. Aber dass ihm die NPD näher wäre.

In Süpplingen gab es Sympathiebekundungen für Preuß. Wie tief ist der Graben, der sich jetzt durch die Gemeinde zieht?

Eigentlich kann man es ja nur falsch machen. Die Frage war: Wie macht man es, damit eine Eindeutigkeit auch für den Ort entsteht? Vor drei Monaten hatten wir dort eine Gemeindeveranstaltung mit etwa 200 Leuten, wo offen Pro und Contra gesagt wurde und wir deutlich sagten: Hier wird niemand aus der Kirche herausgeworfen – was in der evangelischen Kirche auch gar nicht geht. Seitdem gibt es praktisch keine Beschwerden mehr. Wir bekommen vereinzelt anonyme Anrufe aus dem rechten Spektrum, aber nicht hier aus dem Ort. Da wird behauptet, wir würden hier eine „Judenverfolgung“ mit Preuß betreiben.

Fürchten Sie, dass er zum Märtyrer stilisiert wird?

Die NDP mag das versuchen. Aber wir müssen uns hüten, dass sie uns instrumentalisiert nach dem Motto: Wir sind der gute Nachbar und so anerkannt, dass man sogar im Kirchenvorstand sein kann. Es gibt schließlich sogar einen Arbeitskreis „Christen in der NPD“.