Ein Reim auf Schmerz

OPERETTE Lukas Langhoff inszeniert seine erste Operette. Offensichtlich kann er zumindest mit Franz Lehárs „Land des Lächelns“ wenig anfangen. Immerhin musikalisch stimmt’s

Integration ist möglich, wenn auch bei Lehár nicht so richtig, aber das ist ja auch lange her

von Andreas Schnell

Nachdem das Theater Bremen in der vergangenen Saison mit der Inszenierung des „Vetter aus Dingsda“ einen echten Operetten-Coup landete, herrschte, wie deren musikalischer Leiter Florian Ziemen berichtet, „Goldgräberstimmung“. Warum nicht einen ähnlichen Coup mit Franz Lehárs „Land des Lächelns“ probieren? Und seinen Ausführungen im Programmheft ist zu entnehmen, dass er fündig wurde. Jedenfalls was das musikalische Material betrifft. Ziemen reiste bis nach Bad Ischl, wo die Lehár-Villa steht, auf der Suche nach der Original-Handschrift und gewann daraus und aus Aufnahmen mit der Besetzung der Uraufführung neue Erkenntnisse.

Die Regisseurssuche war indes leider nicht von vergleichbarem Erfolg gekrönt, Lukas Langhoff bemühte sich jedenfalls erfolglos, die „Pop Art Operette“ (Ziemen) szenisch ebenbürtig umzusetzen. Das Thema ist natürlich in der Tat „zeitlos“: Eine Liebe zwischen den Kulturen, die an nicht übereinzubringenden Sitten zerbricht. Ein paar gute Ideen gibt es in dieser Inszenierung zwar durchaus, nur gehen die leider in einer Fülle nicht so guter Ideen unter.

Und am besten ist diese Arbeit dann, wenn die Inszenierung hinter die Musik zurücktritt, die bei Ziemen in den besten Händen ist, vor allem im letzten Akt, wo schöne Duette und das berühmte „Dein ist mein ganzes Herz“ das Geschehen dominieren. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass das Ensemble bis dahin seine Arbeit nicht gut machte. Zwar gab es vergangenen Dienstag einen angeschlagenen Luis Olivares Sandoval als Prinzen Sou-Chong, aber er hielt mit bewundernswerter Energie durch. Und seine Angebetete, die Grafentochter Lisa, strahlte stimmlich ganz bezaubernd.

Aber wie gesagt, die Inszenierung… Der erste Akt spielt vor einem bemerkenswert banalen Bild (Bühne: Alexander Wolf), das verschiedene ausgestopfte Tiere in Vitrinen zeigt – alles an die Wand gemalt. Wäre das Wiener Tristesse oder der Muff des alten Europa? Man weiß es nicht. Das zweite Bild ist etwas interessanter. Ein Wald von Bonsai-Bäumchen vor einer eisgrauen Bergwelt, ein Rednerpult und eine Statue von – wir sind ja in China – Mao, zumindest soll es wohl daran erinnern.

Die Chinesen unter den roten Fahnen – auch klar – stampfen gleichgeschaltet vor sich hin. Höflich lächelnd lassen sie die mit dem chinesischen Prinzen mitgereiste Lisa abblitzen. Das Land des Lächelns: undurchdringlich, diese Asiaten… Auch dieses Bild ist nicht davor gefeit, für neue Rätsel zu sorgen. Warum zum Beispiel trampeln nur alle auf den Bonsaibäumchen herum? Am Ende gibt es immerhin einen Hoffnungsschimmer: Ein interkulturelles Hochzeitspärchen spricht ein Gedicht des türkischen Dichters Nazim Hikmet, zweisprachig. Integration ist möglich, wenn auch bei Lehár nicht so richtig, aber das ist ja auch lange her.

Nun ist so eine Operette kein Thesenstück, sondern vor allem Unterhaltung. Weshalb Langhoff sich erstens einige Kabinettstückchen für seine beiden Schauspieler Guido Gallmann und Susanne Schrader einfallen ließ. Für sich genommen waren die auch nicht ganz unwitzig, punktuell gar hinreißend, wirkten aber wie Fremdkörper in einer ansonsten auf Kalauer und biedere Anspielungen der Sorte „Österreich und China, ist das nicht so unvereinbar wie Werder und der HSV?“ gebürsteten Komik.

Einen erfrischenden Kontrapunkt zum Geschehen auf der Bühne liefert ein multikulturelles Ensemble jugendlicher Tänzerinnen und Tänzer (Choreographie: Christine Witte), das die Balletteinlagen übernimmt und mit modernen Formen die Gegenwart ins „Land des Lächelns“ bringt. Und die Jugendlichen dürfen auch den Prinzen, die Grafentochter und deren Verehrer Gustl wie Bäume einpflanzen. Wurzeln. Einen alten Baum verpflanzt man nicht, oder wie?!

■ nächste Vorstellung: Samstag, 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz