Militante machen Druck

Anschlag auf Telefonfirma. Bekennerbrief zur Attacke auf Hamburgs Verfassungsschutz-Chef. Gerichtsstreit um Anti-Repression-Demo

VON KAI VON APPEN

Militante Linke halten zurzeit die Staatsschutzbehörden in Hamburg auf Trapp. Gestern ist ein Brandanschlag auf das Gebäude der Firma „Telio“ verübt worden. Bereits am Montag ist das Haus des Hamburger Chefs des Verfassungsschutz (VS), Heino Vahldieck mit Lackfarbe gefüllten Flaschen attackiert worden. Für Samstag mobilisiert die autonome Szene im Rahmen ihrer Antirepressionskampagne zu einer bundesweiten Demonstration in Hamburg. Ein Marsch in die Innenstadt ist zurzeit verboten.

Die gestrige Brandstiftung eignete sich gegen 1.55 Uhr in Hamburg-Ottensen. Unbekannten warfen eine Flasche mit brennbarer Flüssigkeit gegen die Doppelverglasung des Sitzes der „Telio Communication“. Die Firma brüstet sich, als Spezialist ein neuartiges Telefonsystem für forensische Einrichtungen und Gefängnisse entwickelt zu haben. Inzwischen gehören nach Firmenangaben 70 Knäste zu ihren Kunden.

„Die Flasche ist an der Außenscheibe zerbrochen“, sagt Polizeisprecherin Christiane Leven. „Verletzt wurde niemand.“ Sechs Menschen seien bei einer Sofortfahndung überprüft worden. „Es hat sich allerdings kein Tatverdacht erhärtet“, sagt Leven. „Der Staatsschutz ermittelt, ein Bekennerschreiben liegt bisher nicht vor. Das kann sich aber noch ändern.“

Gut möglich: Denn erst gestern haben sich per Schreiben, das bei der taz-Redaktion eingegangen ist, offenkundig lokale Autonome zur Farbattacke auf VS-Chef Vahldieck im Uhlenhorster Schrötteringksweg mit persönlichen Worten bekannt. „Sorry Heino, dass wir deinen gut gemeinten Rat vom Frühjahr, die Militanten mögen in sich gehen und von ihrem ‚sinnlosen Tun‘ ablassen, nun ganz anders umgesetzt haben“, heißt es in dem mit „Kontrollverlust“ unterzeichneten Brief. „Der Verfassungsschutz versorgt die Länder- und Bundespolizeibehörden mit Dossiers und Analysen über linksradikale Strukturen. Er bedient sich dabei nachrichtendienstlicher Techniken, setzt auch Spitzel auf ‚die Szene‘ an“, beklagen die Verfasser. „Obwohl nach der Zerschlagung Nazideutschlands eine strikte Trennung der Arbeit von Polizei und Geheimdiensten vorgesehen war“, heißt es, „schiebt der VS mit seinen vermeintlichen Erkenntnissen Ermittungsverfahren an. So geschehen bei dem 129a-Verfahren gegen die militante Kampagne gegen den G8-Gipfel.“

Im Frühjahr hatte die Bundesanwaltschaft (BAW) nach mehreren Brandstiftungen in Hamburg ein Verfahren nach dem Terror-Paragrafen 129a Strafgesetzbuch gegen Menschen aus Hamburg und Bremen eingeleitet. „Die vermehrten Angriffe auf das Wasserturmhotel in Hamburg, die Aktion gegen den frisch ernannten Arbeitsminister Scholz zeigen“, heißt es weiter, „dass trotz hohem Repressionsdruck einiges möglich ist und der Kampf weiter geht“.

Auch das Wohnhaus von Olaf Scholz war am 22. November von Unbekannten mit Steinen und Farbe gefüllten Flaschen attackiert worden. Dabei ging ein Wohnungsfenster zu Bruch.

Der Anmelder der Antirepressionsdemo klagt inzwischen gegen das City-Verbot vorm Verwaltungsgericht. Die Polizei hatte in ihrer Gefahrenprognose Krawall vorausgesagt, da ihr das neue Demo-Konzept „Out of Control“ nicht geheuer ist. Mit dieser Mischung aus Kunst, Politik und Kultur wollen sich Akteure einem polizeilichen „Wanderkessel“ entziehen und mit einer „visuellen Inszenierung die staatliche Allmacht“ karikieren. Die Polizei erwägt deswegen, die Gehwege an der Route unter Polizeirecht zu stellen.