„Kriegsspuren sind sichtbar“

ERINNERUNG Experten-Tagung zu Kriegslandschaften beginnt mit öffentlichem Vortrag in Ohlsdorf

■ 57, forscht an der Uni Hamburg unter anderem zur Geschichte von Friedhöfen.Foto: Patrick Ohlschläger

taz: Herr Fischer, heute beginnt Ihre Tagung „Kriegslandschaften: Gewalt, Zerstörung und Erinnerung“. Worum geht es da?

Norbert Fischer: In jüngster Zeit wächst das Interesse der Forschung an sichtbaren Spuren des Ersten und Zweiten Weltkrieges in unseren Städten und Landschaften. Es gibt auch heute noch Bombentrichter und Häuserlücken, zerstörte Kirchen und alte Bunker. Darüber forschen meine Kollegin Sabine Kienitz und ich am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Universität Hamburg. Weil uns interessiert, ob an anderen Orten dazu geforscht wird, haben wir eine internationale Ausschreibung gemacht.

Und was hat sie gebracht?

Das Ergebnis waren über 40 Einsendungen von Forschungsprojekten. Von ihnen wird nun eine Auswahl auf der Tagung vorgestellt, die wir mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstalten.

Warum findet diese auf dem Friedhof Ohlsdorf statt?

Auch dort haben die Kriege Spuren hinterlassen. Es gibt zum Beispiel den englischen Soldatenfriedhof und den deutschen Soldatenfriedhof. Das massenhafte, serielle Töten wird in den uniformen Gräberreihen sichtbar.

Gibt es in Hamburg noch viele Spuren?

Sicher. Große Teile von Hamburg wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bomben vernichtet. Ganz Hammerbrook zum Beispiel. Aber auch in Nachbarstädten wie Bad Oldesloe kann man noch Bombenkrater eines kurz vor Kriegsende verübten Angriffs sehen.

Geht die Stadt angemessen mit den Spuren um?

Es gibt ein wachsendes Bewusstsein dafür. Im Zuge des Baus der Hafencity sollten zum Beispiel die letzten Reste des Hannoverschen Bahnhofs verschwinden, von wo aus Juden deportiert wurden. Eine Initiative hat durchgesetzt, dass dort eine Gedenkstätte errichtet wurde. Darüber wird unsere Studentin Sina Sauer einen Vortrag halten.

Ist die Tagung öffentlich?

Es beginnt heute Abend mit einem öffentlichen Vortrag „Heimat in der Fremde“, zu dem alle interessierten Bürger eingeladen sind. Christian Fuhrmeister aus München spricht über das Konzept der „Totenburgen“. Das sind vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Monumente, mit der man den in der Fremde gefallenen Soldaten gedenken wollte.INTERVIEW: KAJ

Öffentlicher Abendvortrag „Heimat in der Fremde“: 18Uhr, Bestattungsforum am Friedhof Ohlsdorf, Fuhlsbüttler Straße 758. Der Eintritt ist frei