Der Blasse ist der Heilsbringer

Der Wechsel von Wowereit zu Müller zahlt sich für die SPD aus

VON STEFAN ALBERTI

Selten hat – vermeintliche – Blässe so viel Strahlkraft gehabt. Und ebenso selten hat der Abgang eines Strahlemanns einer Partei so viel Positives gebracht wie der SPD der Wechsel vom glamourösen Klaus Wowereit zum bodenständigen Michael Müller. Nicht anders lassen sich die jüngsten Umfrageergebnisse zu Politikern und Parteien werten. Denn auf müde 21 Prozent war die vermeintliche Volkspartei SPD abgestürzt, die Partei Willy Brandts und Ernst Reuters. Mit Müller ist sie jetzt wieder nahe an die 30-Prozent-Marke gerückt.

Dieser Aufschwung bei den Sozialdemokraten währt nun schon zu lange, um sich allein mit dem Reiz des Wechsels bei den Befragten begründen zu lassen. Müllers Sieg bei der SPD-internen Abstimmung über die Wowereit-Nachfolge liegt fünf Monate zurück, auch seine tatsächliche Amtszeit als Regierender Bürgermeister hat jüngst die traditionelle Schonfrist von 100 Tagen überschritten. Das wäre Zeit genug, um die ersten Wechselbegeisterten schon enttäuscht und für wieder sinkende Werte gesorgt zu haben. Stattdessen legt die SPD konstant zu und hat die einst um 7 Prozentpunkte enteilte CDU nun ihrerseits hinter sich gelassen.

Mehr als ein Wechsel-Hype

Müller selbst erreicht Beliebtheitswerte wie Wowereit in längst vergangenen Spitzenzeiten. Dass er selbst unter CDU-Anhängern fast zwei Drittel Zustimmung findet, zeigt, dass er nicht nur SPD-Klientel bedient.

„Blass“ ist ein Attribut, das sich in vielen Artikeln über Müller findet, oft mehrdeutig gemeint. Zutreffend ist es nur in Bezug auf seine Gesichtfarbe. Für die SPD jedenfalls ist der Blasse gerade der Heilsbringer.

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