Weggesperrt und aufbewahrt

Ein mehrfacher Vergewaltiger wird nach Sexualdelikt zu drei Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Psychiatrische Gutachter und Verteidigung kritisieren fehlende Therapieangebote

Wegen sexueller Nötigung hat das Landgericht gestern den mehrfachen Vergewaltiger René N. zu drei Jahren Haft sowie anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Mit diesem Urteil für den 42-jährigen Cottbusser machte das Gericht nicht von der neuen Möglichkeit einer „Sicherungsverwahrung auf Vorbehalt“ Gebrauch, wie sie N.s Verteidigerin Ines Woynar beantragt hatte. „Auch langjährige Haft hat Sie nicht abhalten können von einer weiteren Sexualstraftat“, sagte der Vorsitzende Richter Hartmut Loth in der Urteilsbegründung. „Sie haben eine fest eingefleischten Neigung für solche Taten.“

Der vorbestrafte Sexualstraftäter N. hatte gestanden, am 28. Juli dieses Jahres erneut rückfällig geworden und über die Freundin eines Bekannten hergefallen zu sein. Von der 23-Jährigen will er aber nach Gegenwehr abgelassen haben. Vor Gericht entschuldigte er sich nun bei seinem Opfer. „Es tut mir leid“, sagte N., „die Bremse hat nicht mehr funktioniert.“ Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil in einigen Medien das Hamburger Landesgericht für die jüngste Tat verantwortlich gemacht wurde: Bei N.s letzter Verurteilung hatte das Gericht keine Sicherungsverwahrung angeordnet.

Schon als 14-Jähriger war René N. auffällig geworden: 1980 vergewaltigte er seine 12-jährige Schwester. 1983 folgte ein sexueller Übergriff auf ein anderes Mädchen, 1985 eine versuchte Vergewaltigung. 1992 vergewaltigte er erneut eine 12-Jährige und wurde dafür vom Landgericht Cottbus zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Während der Haft vergewaltigte N. 1995 einen Mitgefangenen im Hamburger Gefängnis Fuhlsbüttel. Dafür verurteilte ihn das Landgericht zu zusätzlich vier Jahren Knast, ordnete aber keine Sicherungsverwahrung an. Als das Cottbusser Landgericht dies 2005 nachholen wollte, hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung auf.

Seit Anfang 2006 ist René N. auf freiem Fuß. Er lebte mit Freundin und Tochter zusammen, ohne im Strafvollzug therapiert oder auch nur auf seine Entlassung vorbereitet worden zu sein. In seiner Beziehung habe er sich unterlegen gefühlt, erklärte jetzt der psychiatrische Gutachter Achim Schack. Bei Streitigkeiten habe N. mit „Blockaden“ einen Abwehrring aufgebaut, „um sich innerlich zu schützen“. Diese „Erbärmlichkeit“ habe dann zu „Frustration und Aggression“ geführt – so wie im aktuellen Fall. „Er hatte den Druck, die Frau durch männliche sexuelle Gewalt zu erniedrigen“, sagte Schack, jedoch sei nach insgesamt 14 Jahren Haft zugleich auch „ein Film“ bei N. abgelaufen, die Tat zu unterlassen.

Bis zuletzt hatte Verteidigerin Ines Woynar an das Gericht appelliert, eine „Verwahrung auf Vorbehalt“ mit Therapiezwang zu verhängen – immerhin sei N. seit 12 Jahren straffrei gewesen. Ausgehend von den psychiatrischen Gutachten, die dem Hamburger Strafvollzug „professionelles Versagen“ vorwarfen, kritisierte die Anwältin, dass N. hinter Gittern „keinerlei Therapien zu Teil“ geworden seien. Mehrfach habe er sich für die Aufnahme in die sozialtherapeutische Station für Sexualstraftäter beworben, sei aber abgelehnt worden. N. sei „sicher gefährlich“, so Woynar, „aber einfach Wegsperren hilft nicht“. PETER MÜLLER