unterm strich
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Selbst wenn nur die Hälfte all der Geschichten wahr ist, die in diversen Erinnerungsbüchern über Ike Turner erzählt werden, war er einer der großen Irren der Popmusikgeschichte. Er schlug seine Frau Tina, er schniefte Kokain, als gäbe es kein morgen, er soll eine Villa in Los Angeles gehabt haben, in der er jahrelang Drogen- und Sexparties für Politiker und Prominente veranstaltete, die er mit geheimen Kameras aufzeichnete. Aber er nahm zusammen mit Tina zwei der besten Singles der Musikgeschichte auf: Viel besser als „Nutbush City Limits“ oder „River Deep Mountain High“ bekommt man es nicht. Ersteres lebt von der Spannung zwischen dem fiesen Gebrummel von Ikes Gitarre und Tinas Stimme, die von der gewalttätigen Stimmung in Nutbush singt, dem prototypischen Provinzkaff, dem man entkommen möchte und das man doch immer mit sich trägt. Ganz anders „River Deep Mountain High“, die letzte große Phil-Spector-Produktion, die das emotionale Schleudertrauma einer Beziehung in einen breitesten Cinemascope-Sound übersetzt. Nachdem Tina ihn 1975 verließ, ging es mit seiner Karriere bergab. Als er 1989 (zusammen mit Tina) in die Rock ’n’ Roll Hall of Fame gewählt wurde, konnte er die Zeremonie nicht besuchen, weil er wegen Kokainbesitzes gerade im Gefängnis saß. In den letzten Jahren beruhigte er sich ein wenig. Er nahm ein Bluesalbum auf, für das er einen Grammy bekam, und spielte mit der britischen Band Gorillaz. Nun ist er in San Diego gestorben. Er wurde 76 Jahre alt.