Israels neuer Mann in Berlin

Joram Ben-Seew hat am Mittwoch sein Amt als neuer israelischer Botschafter in Berlin angetreten. Der 63-jährige Diplomat ist Nachfolger von Shimon Stein und lernt gerade Deutsch FOTO: AP

Wenn der Posten des israelischen Botschafters in Berlin für ein paar Wochen unbesetzt bleibt, bedeutet das nicht etwa, dass er nicht wichtig genug ist, heißt es im israelischen Außenministerium. Das Gegenteil sei der Fall: Man will ihn mit besonderer Sorgfalt besetzen. Schon vor ein paar Wochen fiel die Wahl auf Joram Ben-Seew. Diese Woche hat er seine Mission angetreten.

Er ist schon rein äußerlich nicht unbedingt jemand, der sofort die Sympathien auf sich zieht. Weder verfügt er über den einnehmenden Charme eines Avi Primor noch die kühle Eleganz von Shimon Stein, seiner beiden Vorgänger. Ben-Seew kommt fast ein bisschen bullig daher. Und er macht keinen Hehl daraus, dass die Nominierung etwas überraschend kam und Berlin nicht seine Wahl war. Als stellvertretender Direktor der Nordamerikaabteilung im Außenamt hatte er mit Deutschland wenig zu tun.

Dennoch scheint Ben-Seew alles andere als unglücklich über seine neue Herausforderung zu sein. Das israelische Außenministerium zwingt niemanden zum diplomatischen Dienst – in Berlin schon gar nicht, wenn er während der Nazizeit Familienangehörige verloren hat. Für Ben-Seew, Sohn von Holocaustüberlebenden, stand ein Ablehnen seiner Berufung indes nicht zur Debatte. Er geht seit Wochen täglich zum Deutschunterricht. Für den begabten Diplomaten, der schon Chinesisch und Arabisch bewältigte, ist das Erlernen des Deutschen eine Kleinigkeit.

Über 30 Jahre sind es her, seit Ben-Seew 1973 seinen ersten Diplomatenposten in Hongkong antrat, wo er zunächst Generalkonsul war. Später kamen Einsätze in Manila und in Los Angeles dazu. In Berlin wird der 63-Jährige zum ersten Mal Botschafter. Der verheiratete Vater von drei erwachsenen Kindern zieht mit seiner Frau in die deutsche Hauptstadt.

Bei den israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen von 1993 bis 1995, als Israel und die PLO in Oslo über einen schrittweisen Abzug aus den besetzten Gebieten einig wurden, profilierte sich Ben-Seew als kluger Verhandlungsstratege. Expremier Ehud Barak holte ihn sich fünf Jahre später zur Seite, als er in Camp David mit dem damaligen PLO-Chef Jassir Arafat einen weiteren Versuch der Annäherung unternahm.

Die gerade wiederaufgenommenen Friedensverhandlungen betrachtet Ben-Seew mit vorsichtigem Optimismus. Es bestünde eine Chance der Annäherung, wobei der neue Botschafter auch Deutschland eine aktive Rolle, vor allem im Bereich der Wirtschaftshilfe für die Palästinenser, einräumt. Ben-Seew wird in den kommenden Jahren auf Umwegen versuchen, den Prozess voranzutreiben. SUSANNE KNAUL