Besuch aus New York

IMPROVISATION Anthony Coleman, Pianist nur unter anderem, ist am Donnerstag ein weiteres Mal zu Gast im Westwerk

Am liebsten durchläuft Coleman Welten, die er „noch nicht bewohnt“

Zu Hause ist Anthony Coleman in New Yorks Downtown-Avantgarde, jener Ende der 1980er-Jahre in der Lower East Side rund um den Musiker John Zorn und sein Label „Tzadik“ entstandenen Szene, in der Free und Latin Jazz, Afrobeat, Klezmer, No Wave, Noise und alles, was sich sonst noch frei improvisieren lässt, immer wieder neu aufeinandertreffen. Einen bemerkenswerten Ruf hat sich der inzwischen 59-Jährige über die Jahre erspielt: als Keyboarder und Pianist, Posaunist, Sänger, Samplerbediener und nicht zuletzt Komponist.

Regelrecht gedrängt haben soll ihn John Zorn vor einigen Jahren, seine Piano-Hommage an Jelly Roll Morton endlich im Studio aufzunehmen und auf seinem Label zu veröffentlichen. Denn tiefer als Coleman, der avantgardistischen Jazz immer wieder mit jüdischer Kultur verbindet und mit Dave Douglas, Elliott Sharp, Guy Klucevsek, Marc Ribot oder David Krakauer zusammengearbeitet hat, ist noch keiner in die synkopierte Welt des US-amerikanischen Pianisten und Bandleaders eingetaucht. Dabei versteht sich Coleman eigentlich nur als Spurensucher, der am liebsten solche Welten kreuz und quer durchläuft, die er „noch nicht wirklich bewohnt“.

Zu Hause ist Coleman in diesem Sinne auch am Bostoner New England Conservatory (NEC), zu dessen Fakultät er seit nunmehr zehn Jahren gehört. Dort sind die Kammerkompositionen entstanden, die Coleman vor zwei Jahren mit seinem NEC-Ensemble „Survivors Breakfast“ eingespielt und unter dem Titel „The End of Summer“ veröffentlicht hat.

Aber auch in Hamburg hat Coleman ein kleines Zuhause: das Westwerk. Immer wieder ist er in der Admiralitätstraße zu Gast, jetzt als Solopianist. Welche Forschungsergebnisse er dann präsentiert? Eloquent wird es in jedem Fall.  MATT

■ Do, 2. 4., 20 Uhr, Westwerk, Admiralitätstraße 74