LESERINNENBRIEFE
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Großspurigkeit

■ betr.: „Umstrittener Immobilienverkauf: Bund spekuliert munter weiter“, taz.de vom 24. 3. 15

Was der Herr Piepgras heute sagt, kann schon morgen Makulatur sein. Es sollte üblich werden, Vertragspartner zu scoren. Nach der Devise: Welche Referenzen liegen vor? Welche Zusagen wurden eingehalten? Welcher gewünschte und erwartete städtische Langzeitnutzen hat sich tatsächlich realisiert? Auf diese Weise ließe sich die Spreu vom Weizen trennen und Großspurigkeit ausschließen. ADAGIOBARBER, taz.de

Dumm aber sexy

■ betr.: „Umstrittener neuer Rahmenlehrplan: Schüler werden abgestempelt“, taz.de vom 24. 3. 15

Also, das ist doch ganz einfach. Bildung darf nichts kosten, soll aber gut aussehen. Deshalb muss der Leistungsstand vernebelt werden („Kompetenz“, „Stufen“ usw.). Die Lehrkräfte werden bessere Noten geben, weil das nicht gerichtsfest ist. Und die Eltern müssen dann sehen, ob die Kinder was können – oder bei der Bewerbung auf die Ausbildung bei den Tests sehen, ob die Kinder wirklich was können. Leider ist es dann oft zu spät. Ich verstehe das berlintypisch als „dumm, sieht gut aus (aufm Zeugnis), aber sexy“.

AUSTENJANE, taz.de

Nebelgranaten

■ betr.: „Umstrittener neuer Rahmenlehrplan: Schüler werden abgestempelt“, taz.de vom 24. 3. 15

Diese Nebelgranaten werden doch schon in NRW angewendet. Kompetenzen sind so ziemlich das Lächerlichste, was es gibt. Das wird jetzt durch einen neuen Schwurbel abgelöst. Der lautet: Handlungsfelder. Aber mit dieser ministerialen Hohlheit könnte man ja noch leben. Die Abschaffung des Physik- und Chemieunterrichts in Brandenburg ist skandalös. Das Fach Naturwissenschaften vermittelt dann Blabla auf dem Niveau der „Knoff-Hoff-Show“ oder „Galileo“. Diese Form der Volksverdummung ist gewollt. Dann kann man den Dumpfbacken alles andrehen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Bürger dann nicht mehr schlauer sind als die Politiker. Denn Intelligenz fürchten die die Herrschenden. Apropos Universität und Naturwissenschaften: Im Zuge der Deindustrialisierung kann darauf verzichtet werden. Das Wissen kaufen wir einfach zu. Gibt ja genug arbeitslose Akademiker aus vielen Regionen der Welt. ACHTERHOEKER, taz.de

Zwei Schritte zurück

■ betr.: „Cannabiskonsum in Berlin: Görli ist überall“, taz.de vom 23. 3. 15

Einen Schritt vor und zwei zurück. Wie könnte es auch anders sein? MARKUS MÜLLER, taz.de

Nicht cool, nicht sexy

betr.: „Landesparteitag der Grünen: Das Ende der Politik-Importe“, taz.de vom 22. 3. 15

„Wir sind nicht die besseren Menschen, aber mindestens so cool wie diese Stadt“, sprach der grüne Versicherungsvertreter. Klar, Ihr seid so cool wie Monika Herrmann (Grüne) und so sexy wie Hans Panhoff (Grüne), um mal von den schlechteren Menschen zu reden. Es ist ja nicht so, dass es keine Berliner Grünen geben würde, die keine bundesweite Beachtung gefunden hätten. Ich würde keine 5 Euro mehr auf die grüne FDP wetten. Die Zeiten, in denen nichts mehr an ihnen hängen bleibt, sind eindeutig vorbei – auch und vor allem in Kreuzberg. CARL PETERS, taz.de

Recht des Stärkeren

■ betr: „Görlitzer Park: Messerattacke auf Dealer war Notwehr, taz.de vom 19. 3. 15

„Keine Macht für niemand“ war der Soundtrack der achtziger Jahre – heute ist er in Kreuzberg umgesetzt. Die schrittweise Aufgabe staatlicher Ordnungsaufgaben und Autorität hat aber niemanden befreit, sondern ein Klima der Unsicherheit und Unfreiheit geschaffen. Wo der Staat (also das organisierte Gemeinwesen, wir alle) die Rechte der Bürger nicht mehr schützen kann oder will, verliert auch das staatliche Gewaltmonopol an Legitimität. Entfesselte Gewalt und Selbstjustiz ist die Folge – die Dinge, vor denen Migranten flüchten. Bei Anarchie liegt eben nicht das Lamm neben dem Löwen, sondern es herrscht das Recht des Stärkeren. Wollen das die Grünen?

RON JEREMY, taz.de

Gegenpol für Macht

■ betr: „Görlitzer Park: Messerattacke auf Dealer war Notwehr, taz.de vom 19. 3. 15

@Ron Jeremy: Keine Macht für Niemanden bedeutet nach meiner Auffassung nicht alle Macht den Kriminellen, auch die sollen keine Macht über andere ausüben. Jeder Macht sollte ein Gegenpol, eine Balance gegenüberstehen. Weder soll der Staat selbstherrlich agieren noch soll er die Macht an Konzerne oder Kriminelle abtreten, die dann das Gleiche tun, nur anders.

Oder mit Brecht gesagt: Niemand ist Niemand ist Niemand. Anarchie bedeutet für jeden Einzelnen ein sehr hohes Maß an Verantwortung. Ich denke nicht, dass ein Mensch im Allgemeinen dieser Verantwortung gerecht werden kann.

BODO EGGERT, taz.de

Gegenteil von Weltstadt

■ betr.: „Kulturpolitik: Be Humboldt, be Berlin“, taz.de vom 18. 3. 15

Na wunderbar: Statt eines Formats, das dem Namen Humboldt durch eine weltweite Dimension Rechnung trägt und das hochsymbolische Merkmal Sprache darstellt, gibt es nun eine Selbstinszenierung Berlins. Das hat gerade noch gefehlt, besonders in der Kombination mit dem wiederauferstehenden Preußentum. Da weiß man ja schon, was kommt: Selbstbeweihräucherung der Religionsfreiheit mit simpler Reminiszenz an den alten Fritz (während direkt nebenan Pegida gegen Muslime hetzt) und Verweis auf die lange Willkommenskultur der Stadt (während sich ein CDU-Senator rühmt für Rekordzahlen bei den Abschiebungen). Der „globale Makrokosmos soll sich im Berline Mikrokosmos spiegeln“? Heißt übersetzt: Berlin stellt sich in den Mittelpunkt, alles, was drumherum passiert, findet auf der Oberfläche Berlins selbst statt. Man schaut auf Berlin statt auf die Welt. Das ist provinziell, kein bisschen neuartig und genau das Gegenteil von Weltstadt. SOUNGOULA, taz.de

Mehr als nur zuständig

■ betr.: „Verkehrsunfall: Lebensgefahr an der Kreuzung“, taz.de vom 26. 3. 15

Lkw-Verbot ist Unsinn, wenn stattdessen die Sprinter die Radfahrer totfahren, ohne Assistenten oder Spiegel, weil nicht vorgeschrieben. Was helfen würde wäre, wenn die Fahrbahnen nicht als Rennpisten für Kraftfahrzeuge konzipiert würden, wo man andere Verkehrsteilnehmer gezwungenermaßen und kaum die Designvorschriften einhaltend irgendwie entlangführt, notfalls halt über vier Ampeln zum Linksabbiegen, drei für geradeaus. Würde jemand Geradeausspuren für Pkws rechts von Abbiegerspuren für Lkw einrichten, mausgraue Pfosten mitten auf der Fahrbahn aufstellen, grundsätzlich Kurvenradien einplanen, wo jeder über den Gehweg hoppeln muss, Fahrbahnränder grundsätzlich unmarkiert lassen und so weiter, dann wäre derjenige seinen Job bald los, und seine Werke ein Fall fürs Witzblatt.

Für Radfahrer ist das hingegen alles normal. Und das machen die Leute, die eigentlich für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer verantwortlich wären – wenn es eine tatsächliche Verantwortlichkeit gäbe, statt nur Zuständigkeit.

BODO EGGERT, taz.de

Kein Wunder

■ betr.: „Prozess gegen Polizisten: Gepfefferte Strafe für Lügner“, taz.de vom 25. 3. 15

Sind die noch im Dienst? Und ohne Video wären die davongekommen? Dem geschädigten Bürger wäre nicht geglaubt worden? Kein Wunder, wenn man Polizisten gegenüber kritisch eingestellt ist. Solche „Polizisten“ sind eine Schande und die braucht kein Land. CHRIS TEUBER, taz.de