Fromm, fleißig und beharrlich

Hillary Clinton könnte US-Präsidentin werden. Warum das so ist, erklärt Starreporter Carl Bernstein höchst detailliert und anschaulich. Jeff Gerth und Don Van Natta machen’s kurz und gehässig

VON RENÉE ZUCKER

„Jedes Buch ist ein Gemeinschaftswerk, und das gilt für dieses Buch ganz besonders“, heißt es am Ende der Danksagungen der Autoren Jeff Gerth und Don Van Natta. Dabei konnten sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass sich allein für die deutsche Ausgabe fünf Übersetzer ans Werk machen würden.

Sieben Jahre und vier Assistentinnen hat Carl Bernstein für seinen gut 950 Seiten starken Wälzer gebraucht, der allerdings nur einen Übersetzer ins Deutsche verzeichnet.

Der Unterschied zwischen den beiden Biografien einer Präsidentschaftskandidatin liegt aber nicht nur in der Anzahl ihrer Übersetzer, sondern auch in der Geneigtheit der Biografen, die sich gleich auf den Umschlagbildern ausmachen lässt. Sehen wir bei Carl Bernstein eindeutig schon die Staatsfrau im Profil mit diskreten Ohrclips, siegesgewiss, aber nicht triumphierend, dezent geschminkt und mit Stehkragen, so winkt uns vom Umschlag des Buches von Gerth und Van Natta eine etwas ordinär wirkende Hillary mit Doppelkinn und gelbem Kostüm zu, so selbstzufrieden vor der amerikanischen Fahne, als habe sie soeben alle Konkurrenten mit einem Happs verschluckt.

Nein, die beiden Autoren verhehlen ihre Skepsis gegenüber der ehemaligen Präsidentengattin nicht. Immer wieder erwähnen sie ihren offenbar unersättlichen Ehrgeiz, ohne den sie allerdings auch nicht wäre, wo sie ist, wie vermutlich jeder männliche amerikanische Präsidentschaftskandidat auch. Alle drei Hillary-Biografen mussten ihre Arbeit ohne die Unterstützung der Präsidentschaftskandidatin machen: Nicht einmal ihr Gatte wollte sich lobend über den Charakter und die Stärken seiner Liebsten äußern. Und seine Liebste – dies zumindest ist eine der Thesen in Bernsteins Buch –, das war sie, und das ist sie immer noch. Bill und Hillary sind einfach aufeinander fixiert, egal was auch passiert.

Für die Intensität der Clinton-Beziehung interessieren sich Gerth und Van Natta über die allseits bekannten Tatsachen hinaus nicht weiter. Sie attestieren Hillary vielmehr, die Zeit zwischen dem Status als Präsidentengattin und als zukünftiger Präsidentschaftskandidatin für die Entwicklung „zu einer hart arbeitenden Führungspersönlichkeit und hervorragenden Politikerin“ genutzt zu haben.

Dieses leicht gönnerhafte Lob verstärkt den Eindruck, dass die Autoren nicht gerade verliebt in ihr Subjekt sind. Auch Bernstein ist nicht enthusiastisch, aber doch voll Anerkennung und teilweise sogar Bewunderung für Hillary Clinton. Und diese Achtung speist sich immer wieder aus ihrer politischen Kompetenz, ihrem Kampfgeist, ihrer Disziplin – und einem offenbar unerschütterlichen Beharrungsvermögen, das sie an der Seite des nahezu pathologischen Fremdgehers Bill Clinton bleiben lässt.

Ist es vielleicht Liebe oder gar eine amerikanisch-religiöse Entscheidung? Denn Hillary ist zweifellos auch sehr religiös, zwischenzeitlich neigte sie sogar zu New-Age-Zusammenkünften, bei denen auch Bill mitmachen durfte. Jedenfalls bekommt in diesem Zusammenhang der Begriff der „postelektoralen Krise“ eine völlig merkwürdige Konnotation – denn diese Krisen während Bill Clintons Amtszeit (eben „postelektoral“) hatten alle hauptsächlich damit zu tun, dass er seinen Geschlechtstrieb nicht kontrollieren wollte.

Seine Mutter habe acht Jahre als freiwillige Helferin bei Hillary in der Postbeantwortungsstelle gearbeitet, schreibt Bernstein in seiner Danksagung, versichert aber, er habe nicht eine einzige Information von ihr in diesem Buch. Aber dies und die ausführlichen Fußnoten (dankenswerterweise im 100-seitigen Anhang) machen deutlich, dass es sich bei seinem Buch um die seriösere Arbeit handelt. Bernstein lässt kaum ein Lebensdetail aus. Vermutlich stimmt sogar jede Sofafarbe, die er erwähnt. Er widmet Hillarys Herkunft sehr viel Raum, besonders ihrem kompliziertem Verhältnis zum Vater, einem harten, verbittert rüden und geizigen Mann, für den nichts je genug war. Bernstein verkneift sich zwar billige psychologische Deutungen, jedoch nicht den Hinweis darauf, dass es Hillarys an hausfraulichen Qualitäten fehlt.

Beide Bücher beschäftigen sich gern mit der Clinton’schen Ehe und deren Auf und Abs, mit Hillarys inniger Frömmigkeit und ihrer Verehrung von Eleanor Roosevelt. Wo Gerth und Van Natta aber ein fast hämisches Augenmerk auf die weniger angenehmen Hillary-Fähigkeiten richten, mit denen sie langjährige Weggefährten verletzt oder dubiose Geschäfte vernebelt hat, ist Bernstein doch von nüchtern-loyaler Bewunderung ihrer zweifelsfreien Stärke und ihres Durchhaltevermögens.

Wer es ganz genau wissen will, ist mit Bernstein vermutlich besser bedient, zumal dieser auch viel mehr Klatsch bereithält, wie überhaupt sein Buch insgesamt ein sinnlicheres Lesevergnügen bietet. Wenn man jedoch nur so ungefähr die wichtigsten Stationen erfahren will, ist man trotz der vielen heißen Übersetzernadeln auch mit Gerth und Van Natta gut bedient. In Deutschland, wo Hillary Clinton ja nicht zur Wahl steht, allemal.

Carl Bernstein: „Hillary Clinton. Die Macht einer Frau“. Aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer. Droemer Verlag, München 2007, 968 Seiten, 22,90 Euro Jeff Gerth, Don Van Natta Jr.: „Hillary Rodham Clinton. Ihr Weg zur Macht“. Aus dem Amerikanischen von Michael Bayer, Karlheinz Dür, Dagmar Mallett, Ursel Schäfer und Heike Schlatterer. Piper Verlag, München 2007, 416 Seiten, 16,90 Euro