Suizid mit Reißverschluss

Ein russischer Staatsangehöriger tötete sich mit Reißverschluss aus Zellenbett im Polizeigewahrsam. Nach der Obduktion sieht die Staatsanwaltschaft „keine Hinweise auf Fremdverschulden“

Von Christian Jakob

Der Tod des russischen Obdachlosen im Gewahrsamstrakt des Bremer Polizeipräsidiums ist auf „vitales Erhängen“ zurückzuführen. Das sagte der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Jörn Hauschild. Nach einer am Freitag durchgeführten Obduktion gebe es „sichere Zeichen“, dass Fremdeinwirkung auszuschließen sei. Spuren von Gift oder Gewaltanwendung seien nicht gefunden worden. Der Mann habe sich mit einem Reißverschluss, den er „aus der Decke oder der Matratze“ der Zelle herausgetrennt habe, selbst erhängt.

Am Donnerstagvormittag wurde der Russe in das Polizeipräsidium in der Vahr gebracht und gegen 11 Uhr in einer Zelle des Gewahrsamstraktes eingesperrt. Um 12 Uhr wurde er leblos in der Zelle aufgefunden. Nach Angaben von Hauschild soll die Zelle in der Zwischenzeit zwei Mal kontrolliert worden sein. Ob der Mann der deutschen Sprache mächtig war und ob er zur Feststellung der Hafttauglichkeit einem Arzt vorgeführt wurde, konnte Hauschild nicht beantworten. Die Polizei wollte hierzu keine Angaben machen.

Der ohne festen Wohnsitz lebende Russe sollte am Nachmittag einem Haftrichter vorgeführt werden. Er war am Mittwoch im niedersächsischen Cloppenburg von der Polizei aufgegriffen worden. Bei der Überprüfung seiner Personalien wurde festgestellt, dass gegen ihn ein Haftbefehl des Amtsgerichtes Bremen wegen eines Sexualdelikts in Bremen-Nord vorlag.

Eine Sprecherin der Bremer Polizei sagte, dass die Entscheidung, ob die Gewahrsamstauglichkeit ärztlich geprüft wird, grundsätzlich im Ermessen der inhaftierenden Polizisten liegt. „Es zählt der Augenschein. Wenn jemand vom äußeren Erscheinungsbild offenkundig beeinträchtigt ist – oder aber selber Probleme äußert – dann wird der ärztliche Beweissicherungsdienst zur Haftfähigkeitsprüfung herangezogen.“ Beim ärztlichen Beweissicherungsdienst handele es sich um „selbstständige, niedergelassene Ärzte“. Es gebe einen Erlass des Innensenators, der regele, dass im Gewahrsam die Zellen „mindestens einmal pro Stunde“ kontrolliert werden.

Die Bremer Rechtswissenschaftlerin Christine Graebsch sieht in der Ermessensregelung einen klaren Grundrechtsverstoß: „Es kann nicht sein, dass Polizisten ohne medizinische Kompetenz entscheiden, ob jemand ärztlich untersucht werden muss oder nicht. Dass kann nur ein Arzt selber entscheiden.“ Laut Graebsch, die eine Studie zur medizinischen Versorgung im Polizeigewahrsam durchgeführt hat, seien „viele Todesfälle im Polizeigewahrsam vermeidbar“. Da Menschen mit Alkohol-, Drogen- oder psychischen Problemen besonders häufig im Gewahrsam landeten, seien hier besonders strikte Standards zur Wahrung der körperlichen Unversehrtheit der Inhaftierten angezeigt.