Antikunst mit totem Bischof

Die Stars des deutschen Kunstbetriebs Daniel Richter und Jonathan Meese eröffnen die letzte Station ihrer Wanderausstellung über den toten Erzbischof von Stade mit einem Happening, das die Bedingungen seiner eigenen Rezeption ironisch bricht. Die Kunst bleibt dabei auf der Strecke

von DANIEL WIESE

Der Museumsdirektor versucht locker zu bleiben. Es handele sich hier um „so ‘ne Art Abrissparty“, sagt er, während Fotoapparate klicken und Fernsehkameras in Position gehen. Der Direktor lächelt, doch der Mann zu seiner Linken fällt ihm ins Wort: „Das hat doch was von Krankenhausatmosphäre hier, finden Sie nicht?“ Man habe, versucht der Direktor sich nicht beirren zu lassen, den Künstlern freie Hand gegeben. „Wir haben vorgeschlagen, die Wände einzureißen, aber nichts durften wir machen“, tönt es von links. Gelächter im Saal, die Rede ist beendet.

In das Helms-Museum in Hamburg-Harburg findet normalerweise nur, wer den Weg kennt, so gut getarnt liegt der graue Klotz zwischen Shopping-Mall und S-Bahn-Station. Der Andrang am Freitag war trotzdem sehr groß, denn die Künstler, denen Museumsdirektor Rainer-Maria Weiss sein Museum überlassen hatte, sind Jonathan Meese und Daniel Richter, zwei der bekanntesten jungen deutschen Maler. Ihr selbst gewählter Auftrag: eine Antikunst-Aktion, die die Bedingungen ihrer eigenen Rezeption thematisiert und zugleich ironisch bricht. Oder, um mit Richter zu sprechen: „Ich kann die Scheiße nicht mehr sehen. Aber besseres Zeug gibt es heutzutage nicht.“

Angefangen hatte die Aktion vor knapp zwei Jahren in Stade, mit einer Ausstellung von Meese /Richter über die toten Knochen eines Erzbischofs, die der mit Richter befreundete Stader Stadtarchäologe Andreas Schäfer ausgegraben hatte. Die Ausstellung ging von Stade nach Berlin, Freiburg, Rosenheim, bei jeder Station gab es ein Happening mit Meese und Richter, bei dem neue Kunst entstand, die in die Ausstellung integriert wurde.

„Wie viele Werke sind neu entstanden?“, fragt eine Frau in Kostüm, die eine Wolke von Parfumduft hinter sich herzieht. Daniel Richter, in Turnschuhen und altem T-Shirt: „1842. 1112 haben wir wieder vernichtet, 30 verliehen und zwölf gegen Schmalzbrote getauscht.“ Meese, in Trainingsjacke, nuckelt währenddessen an der Hand eines Skeletts, die Fotografen halten drauf. Wenig später tropft blaue Farbe von dem Skelett. „Ihhh“, sagt Meese, „das tropft ja“. Wir lernen: Kunst ist ein Prozess, sie geht immer weiter.

Meese und Richter inszenieren sich als Buddies, die sich einen Spaß mit der Fotografen- / Journalisten- / Kunstmenschenmeute machen, von der sie hochgejazzt werden, denn: hey! – es ist doch nur Kunst. Die Ausstellung wirkt extra schludrig hingepfuscht, Kunststoffskelette sind in Glasvitrinen gerammt worden, Bananenschalen signalisieren eine Feuerstelle, denn es geht ja nicht bloß um den toten Erzbischof, der auch da liegt in seinem Steinsarg. Es geht um Archäologie überhaupt, um Spuren und ihre Interpretation. „Archäologie macht mich spitz wie Lumpi“, sagt Meese, der durch den prähistorischen Saal des Museums schießt, vorbei an einem ausgestopften Rentier, und die Meute hinter sich her zieht.

„Bitte erklären Sie“, „Bitte sagen Sie“, das ist das Spiel, und Meese und Richter sind angetreten, den Fragern die Zunge rauszustrecken. „Diktatur der Kunst“ steht auf einem Schild, das mitten im Raum auf einem Pfeiler angebracht ist, vor dem Pfeiler macht Meese Liegestützen. „Der kann das ja“, sagt eine Frau überrascht, in ihrer Stimme schwingt Bewunderung mit.

Vielleicht ist es ja so, dass sich Richter, Jahrgang 1962, und Meese, Jahrgang 1970, vorgenommen haben, den Kunstbetriebsrummel um ihre Person so lange zu persiflieren, bis er zusammenbricht. In dem Raum, in dem auch die Kopien der Knochen des Erzbischofs liegen, hängen an den Wänden rosa Kleksbildchen, „Daniel + Jonathan“ steht auf einem. Auf einem anderen ist ein großes Sperma zu erkennen, das sich über ein kleines beugt und „Achtung!“ sagt. Auch eine Möglichkeit, das Thema der Vergänglichkeit zu illustrieren, mit dem Archäologie ja auch zu tun hat. „Man muss damit spielerisch umgehen, sonst ist es zu bedrückend“, sagt Meese, und kurz wirkt er nachdenklich.

Helms-Museum, Harburger Rathausplatz 5, bis 25. März 2008