Lange Liste rechter Morde

KUNDGEBUNG Forderung nach Stärkung der antifaschistischen Zivilgesellschaft statt Etat-Aufstockung für den Verfassungsschutz, der weiterhin Linke anwirbt

Mehrere Minuten dauerte es, bis eine Rednerin die Namen der von Nazis Ermordeten vorgelesen hatte: Auf ihrer Liste waren jene Menschen, die von den Zwickauer Nazi-Terroristen umgebracht wurden, und über 170 weitere, die seit 1990 von Rechtsradikalen ermordet wurden. Der Opfer rechter Gewalt haben am Samstag 200 Menschen auf dem Ansgarikirchhof gedacht. Zu der Kundgebung hatte ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppen und Flüchtlings-Initiativen aufgerufen.

„Auch in Bremen gibt es Alltags-Rassismus, aus dem die Nazis erwachsen“, sagte Claude Kenfack, Vorsitzender vom Rat für Integration. „Wenn ich höre, ich solle dahin gehen, wo ich herkomme, oder sich in der Straßenbahn niemand neben mich setzt, dann ist das Rassismus.“ Wie gefährlich Vorurteile seien, hätten die Ermittlungen zu den Morden des Nazi-Trios gezeigt: „Die Polizei hat eher die Familien der Opfer verdächtigt, als sich vorstellen zu können, dass Nazis dazu in der Lage waren“, so Kenfack.

Zuvor war die deutsch-türkisch-italienische Rap-Gruppe „Microphone Mafia“ aufgetreten. Die Musiker wohnen in der Kölner Keupstrasse und haben 2004 das Nagelbombe-Attentat miterlebt, das vermutlich von dem Zwickauer Nazi-Trio verübt wurde. Antifaschismus müsse von unter her organisiert werden, so die Rapper. Linke und migrantische Initiativen sollten sich stärker gemeinsam engagieren.

VertreterInnen von antifaschistischen Gruppen kritisierten die Rolle des Verfassungsschutzes: „Seit Jahren warnen wir vor der Gefahr, die von den Nazis ausgeht und wurden nicht ernst genommen“, sagte eine Rednerin. Stattdessen werde seit dem Amtsantritt von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) alle Aktivität links der SPD verstärkt unter Verdacht gestellt. Eine Rednerin der linken Bremer Jugendgruppe „A Gauche“ erinnerte daran, dass der Bremer Verfassungsschutz versucht hat, nach der Demonstration gegen den Naziaufmarsch am 30. April mehrere AntifaschistInnen anzuwerben. Statt den Geheimdienst nun, wie auch in Bremen geplant, mit mehr Mitteln auszustatten, müsse eine offene Gesellschaft und eine antifaschistische Zivilgesellschaft gefördert werden.

Indes scheinen beim Bremer Verfassungsschutz (VS) weiterhin AntifaschistInnen im Fokus der Ermittlungen zu stehen – trotz Aussagen des VS-Chefs Joachim von Wachter, er sehe seine Behörde als „Baustein der antifaschistischen Bewegung“: Nur wenige Tage vor der Kundgebung haben Bremer Verfassungsschützer offenbar erneut versucht, eine linke Person als InformantIn anzuwerben. jpb