Umbauarbeiten beim Exmeister

VFL WOLFSBURG Dank eines 1:0 über Stuttgart kann Trainer Magath ins Winterpausen-Shopping gehen

Bis auf Weiteres steht der ehemalige Meister ohne funktionierendes Team da

In der zweiten Minute der Nachspielzeit flog der allerletzte Stuttgarter Ball gen Wolfsburger Tor. Erst sah es aus, als würde der fliegende Diego Benaglio ihn zwar kriegen, aber damit hinter der Torlinie landen. Doch dann lagen Keeper und Ball genau auf dem weißen Strich. Was zur Folge hat, dass der VfL Wolfsburg dank eines 1:0 im letzten Hinrundenspiel nun einigermaßen ruhig in die Winterpause gehen kann.

Zwar hat man in 17 Spielen grade mal 20 mickrige Pünktchen zusammengebolzt, womit ein Abstieg eine nicht auszuschließende Option ist. Andererseits nimmt man im Januar die Rückrunde mit grade mal zwei Punkten Rückstand auf Rang 7 auf. Trainer, Manager und Geschäftsführer Felix Magath wird in bewährter Manier dafür sorgen, dass bis dahin weitere neue Spieler da sind, mit deren Potential sich Anhängerschaft und Experten in der spielfreien Zeit beschäftigen können.

Bis auf Weiteres steht der ehemalige und, wenn es nach Magath geht, zukünftige Meister ohne funktionierendes Team da, das konnte sich auch im letzten Hinrundenspiel nicht mehr ändern. Magath hat viel rumprobiert und auch diesmal eine neue Formation getestet, aber weder die zuletzt aussortierten Defensivarbeiter Polak und Russ, noch der Dribbler Orozco sehen wie Eckpfeiler einer neuen Mannschaft aus. Die Balance zwischen Defensiv- und Offensivorganisation fehlt weiterhin.

Zwar hat man ein seltenes zu Null bewerkstelligt, doch das lag auch daran, dass der VfB Stuttgart den Konterfußball seines Trainers Bruno Labbadia nicht wirklich zielstrebig umzusetzen wusste. Beim Angreifen war der VfL trotz Magaths Versuch, das spielerische Moment zu stärken, im Grunde reduziert auf ruhende Bälle und Marcel Schäfers Flankenläufe über links. Das reichte immerhin für vier echte Großchancen. Eine davon führte zum 1:0 durch den kurz zuvor eingewechselten Nachwuchsstürmer Sebastian Polter.

Vorausgegangen war eine von Magaths Spezialrochaden, als er zunächst seinen vermeintlichen Lieblingspieler Salihamidzic zur Halbzeit ein- und 20 Minuten später auch schon wieder zugunsten des zweiten Stürmers Polter ausgewechselt hatte. „Leider“ habe er „Brazzo“ wieder rausnehmen müssen, sagte Magath. In der Tat war es inhaltlich zwingend nötig. Es folgte der zweite Bundesligaeinsatz von Polter, 20, einem schnellen, kräftigen und mit Körpereinsatz agierenden Stoßstürmer, der aus der eigenen Regionalligamannschaft kommt. Er solle „Gas geben, wirbeln, ein Tor schießen“, habe Magath ihm gesagt. Das tat er dann halt.

Wenn man das Beste sehen will, so hat dieser Trial-and-Error-VfL immerhin fünf Heimspiele gewonnen. Wenn man das Schlechteste nicht verschweigen will, so muss man die Auswärtsauftritte nennen, bei denen die jeweilige Formation in der Regel chancenlos war. Immerhin: Mario Mandzukic hat sich als Stürmer gehobenen Niveaus etabliert, Torhüter Diego Benaglio seine Form zurückgefunden, Marcel Schäfer zuhause seine offensiven Qualitäten gezeigt und Neuzugang Christian Träsch seine Schnelligkeit und Dynamik. Und wer den Flügelspieler Ashkan Dejagah schon abgeschrieben hatte, muss sich neu orientieren. Im Moment agiert er ballsicher und dribbelstark. Fehlen nur noch sechs Posten, darunter eine stabile Innenverteidigung und eine Doppel-Sechs, die sowohl defensiv als auch offensiv funktioniert.

Die Strategie von VW: Magath wird es richten. Erstens hat er es schon mal gemacht. Zweitens gibt es keinen Plan B. „Wir sind weiter dabei, einen neuen, erfolgreichen VfL aufzubauen“, sagt der zuständige VW-Manager und Aufsichtsratsvorsitzende Francisco Garcia Sanz. Das ist so schön wie richtig formuliert. Faktisch heißt es: Gebaut ist noch nichts. PETER UNFRIED