Juristischer Kampf um Kraftwerk Lubmin

Mit einer Demonstration beginnt der erste Anhörungstermin über das geplante Kohlekraftwerk an der Ostsee, gegen das 6.600 Einwendungen eingegangen sind. Gegner scheitern mit Befangenheitsantrag gegen Genehmigungsbehörde

Insgesamt sind in Deutschland nach Angaben des BUND derzeit 27 neue Kohlekraftwerke in Planung. Und an praktisch allen Standorten gibt es Proteste. Erfolg hatten Umweltverbände in der vergangenen Woche in Krefeld: Dort beschloss die Stadt, auf ihrem Gebiet kein neues Kohlekraftwerk zuzulassen. Während die SPD das Kraftwerk befürwortete, hatten CDU und Grüne sich dagegen ausgesprochen. Im saarländischen Ensdorf war zuvor ein neues Kohlekraftwerk durch einen Bürgerentscheid gestoppt worden. In Köln, Bremen, Bielefeld und Querscheid hatten Betreiber ihre Pläne nach Protesten zurückgezogen. MKR

AUS GREIFSWALD BORIS KRUSE

Die Proteste gegen das geplante Kohlekraftwerk im vorpommerschen Lubmin haben ihren ersten Höhepunkt erreicht: Am Dienstagmorgen demonstrierten rund 350 Menschen gegen den Bau des 1.600-Megawatt-Kohlekraftwerks, das der dänische Energiekonzern Dong vom nächsten Jahr an in dem 2.000-Einwohner-Badeort Lubmin an der Ostseeküste zwischen Rügen und Usedom bauen will. Die Demonstranten zogen in den Greifswalder Stadtteil Wieck, wo in einer öffentlichen Anhörung rund 6.600 Einwendungen gegen das Kraftwerk erörtert wurden.

Auf der Kundgebung erteilte die Rügener Landrätin Kerstin Kassner (Die Linke) den Plänen eine Absage: „Es kann nicht sein, dass die Vertreter der Bundesregierung in aller Welt Forderungen zum Klimaschutz stellen, und dann passiert hier so etwas.“ Ins gleiche Horn stieß Jürgen Suhr, Landesvorsitzender der Grünen in Mecklenburg-Vorpommern: „Man kann sich nicht als schwarz-rote Bundesregierung in Bali für den Klimaschutz einsetzen und dann hier in Mecklenburg-Vorpommern als rot-schwarze Landesregierung ein derartiges Kraftwerk befürworten.“

Neben den gewaltigen Mengen von klimaschädlichem CO2 kritisierten Umweltgruppen auch andere Belastungen, die von dem Kraftwerk ausgehen würden. Laut einem Gutachten würde die Quecksilberbelastung, die von Deutschland aus in die Ostsee eingeleitet wird, durch die Kraftwerks-Emissionen um das 17fache steigen.

Die anschließende öffentliche Erörterung in einem überfüllten Jugendheim begann mit einem juristischen Streit: Anwalt Peter Kremer, der Bürgerinitiativen, Naturschutzbund und 1.300 Einzeleinwender vertritt, stellte einen Antrag auf Befangenheit der zuständigen Behörden. Die Fachaufsicht für das Verfahren liege beim Wirtschaftsministerium; dies sei aber nicht nur ein erklärter Befürworter des Kohlekraftwerks, sondern hat nach Angaben der Kraftwerksgegner einen Teil der Antragsunterlagen des Investors sogar selbst verfasst. „Das hat nicht nur ein kleines Geschmäckle – es ist einfach rechtlich unzulässig“, sagte Anwalt Kremer.

Mit diesem Antrag kamen die Kraftwerksgegner jedoch nicht durch. Eine Überprüfung hätte ergeben, dass eine Befangenheit der zuständigen Beamten nicht vorliege, sagte Veranstaltungsleiter Harry Strohm vom Staatlichen Amt für Umwelt- und Naturschutz Stralsund nach einer zweistündigen Unterbrechung der Anhörung. Abgelehnt wurde auch die Forderung, die Anhörung zu vertagen, weil die Einwender zu wenig Zeit hatten, sich mit den Unterlagen des Antragsstellers zu befassen.

Christa Labouvie von der örtlichen Bürgerinitiative ärgerte sich über die Verzögerungstaktik. Durch die lange Unterbrechung seien kritische Stimmen unterdrückt worden. Dennoch war sie mit den Protesten zufrieden: „Dies ist ja nur der erste von vielen Einwendungsterminen. Und es ist ja erst der Anfang unserer Proteste.“