Ein Eigentor für Indiana

USA Apple, Hollywoodstars und Sportclubs ziehen gegen ein neues Gesetz zu Felde. Es öffnet der Diskriminierung von Homosexuellen Tür und Tor – im Namen der Religion

In 20 US-Bundesstaaten gibt es „Gesetze zur Wiederherstellung der religiösen Freiheit“

AUS CHICAGO DOROTHEA HAHN

Wer seine Reiseziele auch unter ethischen Aspekten auswählt, sollte vorerst einen großen Bogen um den US-Bundesstaat Indiana machen. Denn ab Juli haben dort Privatpersonen und Unternehmen das Recht zur Diskriminierung aus religiösen Gründen. BlumenhändlerInnen, Restaurant- und HotelbetreiberInnen und andere Geschäftsleute können wegen ihrer „religiösen Überzeugung“ Dienstleistungen verweigern – und zum Beispiel lesbische und schwule KundInnen abweisen. Das „Gesetz zur Wiederherstellung der religiösen Freiheit“ macht es möglich.

Wenige Tage, nachdem Gouverneur Mike Pence das Gesetz unterzeichnet hat, droht es zu einem Eigentor für Indiana zu werden. Schwule, Lesben und MenschenrechtlerInnen haben bereits am Samstag in Indianapolis dagegen demonstriert. Die Human Rights Campaign, die sich von Washington aus für die Rechte von Homosexuellen einsetzt, nennt das Gesetz eine „gefährliche und diskriminierende Botschaft“.

Am Montag folgten Hollywoodstars, Sportclubs, PolitikerInnen und zumindest eine Kirche mit Boykottdrohungen gegen Indiana. In Zeitungsanzeigen und Interviews kündigten unter anderem die Chefs der Computerunternehmen Apple und Salesforce an, sie würden Zweigstellen und Investitionen in Indiana abbauen, weil sie ihren KundInnen keine Diskriminierungen zumuten möchten.

Der nationale Basketball-Verband NCAA, der sein Hauptquartier in Indianapolis hat, erwägt, seine „Men’s Final Four“-Turniere künftig zu verlegen – zum Schutz von AthletInnen und ZuschauerInnen. Und die „Disciples of Christ“-Kirche, die alljährlich eine Vollversammlung mit rund 60.000 TeilnehmerInnen in Indianapolis abhält, schrieb dem Gouverneur, dass sie anderswo tagen könnte.

PolitikerInnen beider großen Parteien sind auf den fahrenden Zug gesprungen. Unter den DemokratInnen ist die mutmaßliche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Der republikanische Bürgermeister von Indianapolis, Greg Ballard, hat das Gesetz schon vorab einen Fehler genannt. Am Montag begann erstmals ein Gouverneur eines anderen Bundesstaates einen Boykott. Dan Malloy von Connecticut strich öffentliche Finanzhilfen für Reisen nach Indiana. San Francisco und Seattle vollzogen denselben Schritt.

Am extremen anderen Ende des politischen Spektrums rechtfertigte am Montag ein knappes halbes Dutzend republikanischer Präsidentschaftsinteressenten das „Gesetz zur Wiederherstellung der religiösen Freiheit“. Der Texaner Ted Cruz ist „stolz“ darauf und bezeichnet es als Vorbild für andere Bundesstaaten. Auch Scott Walker, Rick Santorum und Marco Rubio loben es. Und der „moderate“ Jeb Bush nennt es „richtig, weil es den Menschen den Raum gibt, ihren Glauben auszudrücken.“

Gouverneur Pence zeigt sich vorerst noch unbeeindruckt. Er beschreibt das Gesetz als eine Anpassung von Indiana an eine 1993 von dem damaligen Präsidenten Bill Clinton eingeführte bundesweite Regelung. Zahlreiche andere Bundesstaaten hätten bereits ähnliche Gesetze. Und das Gesetz in Indiana enthalte keinerlei Hinweise auf sexuelle Orientierungen.

Auslöser für die Initiative in Indiana war im vergangenen Jahr ein Entscheid des Obersten Gerichts der USA. Darin gewährten die RichterInnen dem „christlichen“ Unternehmen HobbyLobby das Recht, ihren Angestellten Versicherungen zu verweigern, die auch Verhütungsmittel übernehmen, wie es in der Gesundheitsreform vorgesehen ist. Zuvor konnten lediglich religiöse Gruppen – darunter Kirchen, Stiftungen, Krankenhäuser – solche Ausnahmeregelungen von der Gesundheitsreform für sich geltend machen. Seit dem Entscheid des Obersten Gerichts fühlen sich konservative VerteidigerInnen der traditionellen Ehe quer durch die USA dazu ermuntert, ihren legalen Spielraum auszudehnen.

Mit Indiana haben 20 US-Bundesstaaten „Gesetze zur Wiederherstellung der religiösen Freiheit“. Weitere planen ähnliche Gesetze. Zwei Dinge unterscheiden Indianas neues Gesetz allerdings von den meisten anderen. Einerseits macht es auch Unternehmen zu juristischen Personen, die religiöse Freiheiten in Anspruch nehmen können. Andererseits hat Indiana kein Antidiskriminierungsgesetz, das Homosexuelle schützt.

Am Dienstag schloss sich die größte Zeitung des Bundesstaates den Protesten gegen das Religionsgesetz an. Der Indianapolis Star erscheint mit einer schwarzen Titelseite. Darauf steht in großen weißen Lettern ein Appell an den Gouverneur: „Fix this Now“ – Reparieren Sie das jetzt.