Gleiche Arbeit für gleichen Lohn

Wenn Kurt Beck mit perlendem Redefluss soziale Gerechtigkeit fordert, dann muss Wahlkampf sein in Hamburg. Und irgendwie klingt noch der sozialdemokratischste Pfälzer nach Helmut Kohl

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Auf einen einzigen Programmpunkt reduziert sich die SPD unter ihrem Vorsitzenden Kurt Beck: soziale Gerechtigkeit, möglichst sofort und überall, vor allem in Wahlkampfzeiten. Und darum sagt der Mann aus Mainz Sätze wie: „Die sozialdemokratische Vorstellung eines gerechten und solidarischen Gemeinwesens ist die einzige Idee, die realistisch ist.“ Und dafür wird er auch noch mit Beifall belohnt.

Aber wahrscheinlich sind es ausschließlich Parteimitglieder, die am Mittwochabend den Mehrzwecksaal eines Gymnasiums in Lurup fast vollständig füllen. 450 Köpfe etwa zählt das Publikum, aber das wäre fast jeder 20. Hamburger Genosse – nein, es müssen tatsächlich auch Nicht-Sozis gekommen sein aus diesem Stadtteil, der nicht zu den wohlhabendsten in Hamburg gehört.

Vielleicht deshalb spielt Kurt Beck unermüdlich die sozialpolitische Karte, wie es vor ihm schon der Bürgermeisterkandidat der Hamburger SPD getan hat. Und dieser Michael Naumann wird vom Parteichef aus der Pfalz sogleich zur „sozialdemokratischen und hanseatischen Alternative zu Ole von Beust“ ernannt.

Und vielleicht deshalb nennt Kurt Beck den Gastgeber dieses Abends, den heimischen Bundestagsabgeordneten und frisch installierten Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, „den Exzellentesten, den es für diese Arbeit gibt“. Ein Sozialpolitiker „mit großen Fähigkeiten und mit Herz“ sei Scholz, so Beck: „Hier aus Hamburg kommt das soziale Signal für Deutschland.“

Es muss dieser betulich perlende Redefluss des Kurt Beck sein, der so beruhigend wirkt. Der das Publikum daran hindert, darüber nachzudenken, ob einer seiner Sätze sinnstiftend sein könnte. Der dazu verleitet, kurz die Augen zu schließen – und arg zu erschrecken. Wahrscheinlich liegt es am Mundartlichen: Bei geschlossenen Augen ist unweigerlich Helmut Kohl zu hören, bei geöffneten Kurt Beck zu sehen. Nicht eben das, was auf neuhochdeutsch eine Win-win-Situation genannt wird.

An den Inhalten des Kurt Beck kann es nicht liegen. Denn was könnte es auszusetzen geben an einem Satz wie diesem: „Wenn wir unsere Zukunft so sehen, dass Hunderttausende von Menschen, die unsere Post austragen, nebenher zur Arge oder anderen gehen müssen, um ihre Familien ehrlich zu ernähren, was haben wir da erreicht?“ Keine Frage, da kann nur noch der wirtschaftshörigste Konservative gegen Mindestlöhne sein. Zumal auch Olaf Scholz keinen Widerspruch erntet für seine durchaus nicht uninteressante These, dass „an gleicher Arbeit für gleichen Lohn“ kein Weg vorbeiführen darf – jetzt, da er der zuständige Minister für Arbeit und Soziales ist.

Und die Renten soll der vom Chef so hoch gelobte Arbeitsrechtler aus Altona-Altstadt auch gleich noch „sicher machen, für die Rentner jetzt und die, die demnächst in Rente gehen“. So schwebt es zumindest Kurt Beck vor, dem Kämpfer für die soziale Gerechtigkeit vor allem in Wahlkampfzeiten. Denn ihm ist klar, dass den Rentnern „viel zugemutet“ wurde in der letzten Zeit: „Mein Vater war Maurer, 86 ist er jetzt, ich weiß das.“