OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Wer sich in diesem Jahr weiße Weihnachten wünscht, muss in unseren Breitengraden schon das Kino aufsuchen. Zum Beispiel das Filmmuseum Potsdam, wo es mit Arnold Fancks Bergfilm „Stürme über dem Montblanc“ (1930) dann aber gleich ganz dicke kommt. Denn der Titel verspricht keineswegs zu viel, sondern fasst den Inhalt des Films präzise zusammen. Trotz einer Mitarbeit von Carl Mayer am Drehbuch entwickelt der Film Fanck-typisch nämlich keinen großen narrativen Schwung, sondern wirkt wie eine von einer kleinen Erzählung gekittete Zusammenfassung aller Motive, die den bedeutenden Bergfilmer immer fasziniert hatten: die Charakterisierung der erhabenen Gebirgslandschaften als lebendige Wesen, der Kampf des Menschen gegen die Natur mit ihren drastisch ausfallenden Wetterumschwüngen, aber auch der Spaß, den man beim Skifahren auf ungespurten Pisten haben kann. Vom komödiantischen und artistischen Skivergnügen, das Leni Riefenstahl und ihre Mitstreiter hier veranstalten, ist es jedoch nur ein kleiner Schritt zum Drama, in dem ein einziger Fehltritt bereits den Tod bedeutet oder ein Paar vom Wind hinweggewirbelte Handschuhe eine fast unabsehbare Kette von Ereignissen in Gang setzt, die einen den Schal ein wenig enger um die Schultern zurren lässt. Für die Szenen, in denen die Berghütte des Montblanc-Wetterwarts (Sepp Rist) aufgrund einer offen gelassenen Tür auch von innen einschneit, ließ Fanck auf dem Berninapass ein kleines Filmatelier anlegen, das dann unter realen Bedingungen vom Schneesturm total vereist wurde. Dramatische Wolkenformationen, steile Berggrate, tosende Gewitter und gewaltige Lawinenabgänge – einmal mehr sind es die faszinierenden Naturaufnahmen von Fanck und seinen Kameraleuten Allgeier, Schneeberger und Angst, die diesen frühen Tonfilm tragen, über dessen teilweise Nachvertonung mit Theatergeräuschen man gnädig hinweghören muss. (25. 12., Filmmuseum Potsdam)
In gewisser Weise eisig geht es auch in Hitchcocks Comedy-Thriller „Der unsichtbare Dritte“ (1959) zu. Eva Marie Saint verkörpert darin die eisblonde Agentin Eve Kendall, deren kühler Sexappeal nicht das einzige (aber angenehmste) Problem ist, das Cary Grant als Werbefachmann Roger Thornhill hier bekommt: Weil man ihn für einen – tatsächlich gar nicht existierenden – Spion hält, soll Roger ermordet werden. Immerhin rettet ihm erst einmal seine ihn sonst gern gängelnde Mutter das Leben, indem sie die Killer im vollbesetzten Fahrstuhl blamiert und alle zum Lachen bringt: „Das kann doch nicht ihr Ernst sein, meine Herren! Sie wollen wirklich meinen Sohn umbringen?“ (OmU, 24. 12., Lichtblick-Kino)
Ein romantisches Melodram mit großer Geste, aber nicht ohne ironischen Humor: Marcel Carnés „Die Kinder des Olymp“ (1945) erzählt vom Leben als Bühne, wenn sich der schüchterne Pantomime Debureau (Jean-Louis Barrault) in die schöne Garance (Arletty) verliebt, die er auf der Pariser Theaterstraße des 19. Jahrhunderts, dem Boulevard du Crime, kennengelernt hat. (22./23. 12., Bali) LARS PENNING
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