Ein ganzes Dorf ohne CDU

Im schleswig-holsteinischen Bredenbek hat sich der CDU-Ortsverband aus Protest über die Landes- und Bundespolitik der Partei aufgelöst. „Wir wollen, dass die Herren in Berlin und Kiel wach werden“, heißt es aus dem Vorstand

Die CDU im schleswig-holsteinischen Dorf Bredenbek lud zum Weihnachtsessen, am Ende des Abends gab es den Ortsverband nicht mehr: Bei nur einer Enthaltung beschlossen die Mitglieder, den Verband aufzulösen. Die meisten werden wohl auch ihre Parteibücher zurückgeben. Keine leichtfertige Entscheidung, sagte Ex-Vorstandsmitglied Walter Stigrot der taz: „Wir wollen, dass die Herren in Berlin und Kiel wach werden.“

Der Ärger über die Landes- wie Bundespolitik der CDU ist in den vergangenen Monaten gewachsen, letzter Auslöser waren die Debatten um die Schülerbeförderungskosten, an denen sich Eltern beteiligen sollten (taz berichtete). Dies sei „ein beredtes Beispiel, wie man als Partei Glaubwürdigkeit verspiele“. Doch es geht auch um Grundsätzliches: „Die Realeinkommen der Arbeitnehmer und der Rentner sinken, während die Gewinne der Konzerne und Kapitalgesellschaften förmlich explodiert sind. Wir erkennen die Ideen Ludwig Erhards nicht mehr“, sagte Stigrot.

Der Vorstand des Ortsverbandes war erst im Sommer neu gewählt worden, doch der Frust kam rasch. Zurzeit müssen Kandidatenlisten für die Kommunalwahl im Mai aufgestellt werden – der Vorstand putzte Klinken und erhielt nur Absagen: „Da muss man sich dann Beschimpfungen anhören“, klagte Stigrot. Die Aktiven des ehemaligen Ortsverbandes werden sich wahrscheinlich der Freien Wählergemeinschaft des Dorfes anschließen. Die stellt zurzeit einen Kandidaten im Gemeinderat, die CDU hat vier, die SPD sechs Sitze. „Wir wollen uns weiter engagieren“, sagte Stigrot.

Die Partei reagierte mit formalen Protesten: Die Auflösung sei nicht satzungsgemäß. Der Bredenbeker Vorstand sieht das anders, und an der Sache werde sich ohnehin nichts ändern: „Wir haben unsere Entscheidung getroffen.“ Und die findet Beifall: „Ich bekomme Anrufe von Ortsverbänden und CDU-Mitgliedern aus dem ganzen Land, die uns zu dem mutigen Schritt beglückwünschen“, sagte der ehemalige Vorsitzende, Ludger Korten, der taz.

CDU-Landesgeschäftsführer Daniel Günther erklärte gegenüber der Lokalzeitung, eine Große Koalition bedeute, dass „man Kompromisse machen muss. Dass da nicht jedes Parteimitglied einverstanden ist, ist unvermeidlich“. Insgesamt steige die Zahl der Mitglieder im Land.

Erst im Herbst 2006 hatte sich der CDU-Ortsverband in Ellerau im Kreis Segeberg aus Protest halbiert. ESTHER GEISSLINGER