Familienproblem Kindermord

betr.: „Diese Fälle zeigen ein Kontrolldefizit“, taz vom 7. 12. 07

Das Interview mit der Kriminologin Monika Frommel hat mich irritiert. Auf die Frage, ob immer mehr Eltern ihre Kinder umbringen, antwortet sie, die Grundsensibilität für Kinder, die Bereitschaft, Kinder zu schützen, seien gestiegen. Daraus ist zu schließen, wir hätten es hier nur mit einer gesteigerten Wahrnehmung durch die Gesellschaft zu tun. Mit anderen Worten, man regt sich heutzutage eher darüber auf, wenn ein Kind durch seine Eltern umgebracht wird.

Am Ende des Interviews offenbart die Dame dann ihr sonderbares Rechtsverständnis zum Thema Kindermord. An die Äußerung, dass in einer individualisierten Gesellschaft Kinder eines besonderen Schutzes durch den Staat bedürfen, schließt sie Folgendes wörtlich an: „Deswegen werden diese Fälle zum Kriminalfall. Früher waren es Familienprobleme.“ Man fragt sich unwillkürlich, mit welchem Staat und welchem Rechtssystem sie sich befasst. Der Mord an Kindern durch ihre Eltern war früher also eine Familienangelegenheit und kein Kapitalverbrechen? Und was heißt hier eigentlich „früher“? Im ganzen Interview redet die Interviewte von „früher“, ohne zu benennen, was sie damit meint: die 50er Jahre, das 19. Jahrhundert oder das Mittelalter. In unserem Rechtsstaat war und ist Mord an Kindern ein Verbrechen. Dazu bedarf es keiner neuen „Grundrechtssensibilität“ für Kinder und keiner zusätzlichen oder besonderen Kriminalisierung der Täter. HARTMUT GRAF, Hamburg