Mit Deutsch gegen die Krise

MIGRATION II Immer mehr Griechen wollen Deutsch lernen, um auszuwandern. Aber die Vorstellungen über Jobs hierzulande sind mitunter nur vage

ATHEN taz | Elias Soulides sitzt innerlich auf gepackten Koffern. „Wenn ich nur könnte, dann würde ich gleich morgen früh nach Deutschland kommen“, sagt der Auswanderungswillige. Das Land seiner Sehnsucht ist auch der Ort seiner Kindheitserinnerungen. Soulides ist in der Nähe von Hannover aufgewachsen. Dort haben seine Eltern jahrelang geschuftet und sich eine Existenz aufbauen können, fernab vom bitterarmen Nachkriegsgriechenland.

Auch der junge Elias hatte in Deutschland erste Berufserfahrung gesammelt als Mitarbeiter eines Großwarenhändlers, der griechische Restaurants beliefert. Trotzdem hapert es bei ihm mit der deutschen Sprache.

„Ehrlich gesagt kümmerte ich mich damals nicht so sehr darum, richtig Deutsch zu lernen; ich habe eher den Deutschen etwas Griechisch beigebracht während all der Jahre“, sagt der 40-jährige Familienvater lächelnd, aber durchaus selbstkritisch. Er ist ein fröhlicher, unbekümmerter Mensch. Eine Berufsausbildung oder ein Studium hat er nicht vorzuweisen. Nachdem er nach Griechenland gekommen war, machte er einen Gelegenheitsjob nach dem andern. Genauere Vorstellungen über eine mögliche Arbeit in Deutschland hat er nicht. Doch er erhofft sich in Deutschland eine bessere Zukunft, auch für seine kleine Tochter.

Soulides besucht die Sprachschule „Müller“, die eine promovierte Germanistin vor 25 Jahren in Athen gegründet hat. Erst um neun Uhr abends beginnt der berufsbegleitende Intensivkurs für Erwachsene. Trotz später Stunde sind alle acht Kursteilnehmer konzentriert bei der Sache. Sie wollen in kürzester Zeit möglichst gut Deutsch lernen, um ihre Berufsqualifikationen zu verbessern oder gleich auszuwandern.

Ioanna Gavreel geht die Sache etwas entspannter an. Immerhin hat sie noch einen Job als Verwaltungsfachangestellte, wenn auch nur auf Teilzeitbasis. Damit kommt sie einigermaßen über die Runden, aber klar, auch Deutschland sei eine Option. „Aber in erster Linie möchte ich meine Deutschkenntnisse allein schon deswegen verbessern, weil ich in diesem Land viele Freunde habe und die deutsche Mentalität sehr schätze“, erklärt die 50-jährige Frau. Nach Berlin oder Hamburg würde sie am liebsten ziehen, wenn es so weit kommen sollte, sagt Ioanna. Vorerst bleibt es bei den Sprachübungen im Athener Klassenraum.

2011 seien die Schülerzahlen bei den Erwachsenen um 30 Prozent gestiegen, berichtet der Inhaber der Sprachschule, Klaus Müller-Batsalias. Viele der Lernwilligen stellen gleich Fragen zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland. Nach jüngsten Umfragen wären 40 Prozent aller Griechen bereit, das Land zu verlassen, um anderswo einen Job zu finden.

JANNIS PAPADIMITRIOU