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HAMBURGER SZENE VON RALF LORENZENK. o. gegen Muhammad Ali

Wenn man Jürgen Blins Bierbar in den Katakomben des Hamburger Hauptbahnhofs betritt, denkt man nicht gleich an Sport. Der Tresen ist schon um acht Uhr morgens gut besetzt, der Bierhahn schwer beschäftigt und die drei Daddelautomaten in Dauerbetrieb. „Komm mal mit nach hinten“, sagt der Chef, der hier persönlich die Frühschichten ab sechs Uhr schiebt. Im Lagerraum zeigt er stolz auf einen Stapel leerer Bierkisten. „Alles seit gestern Morgen weggegangen.“ Selbst rührt er keinen Tropfen an, zu Hause auf Fehmarn wurde genug gesoffen. Mit 15 war er weg, Schiffsjunge auf See, später Fleischerlehre und dann endlich: Boxen!

In seinem Blick: die nicht bekommenen Chancen, das nicht gelebte Leben. Doch geklagt wird nicht! Immerhin hat er diese eine Chance bekommen, Weihnachten 1971 in Zürich: Blin gegen Muhammad Ali, Hamburger Schlachter gegen den Weltsportler des Jahrhunderts. Aus der schummrigen Kaschemme wird ein Sportpalast. Der drahtige Körper spannt, die schnellen Fäuste fliegen, Blin greift an. Die Gäste auf den Barhockern heben ihre Köpfe, die Ali-Poster an der Wand kriegen Glanz. In der siebten Runde geht Blin k. o.

„Montagmorgen stand ich wieder im Schlachthof.“ Um 180.000 DM reicher. Später alles verloren, Scheidung, Schicksalsschläge, schlechte Geschäfte. Jetzt gehe es ihm wieder gut. Er träumt davon, einen deutschen Champion herauszubringen. Versucht hat er es in einem Box-Projekt für benachteiligte Jugendliche. Aber er ist Kämpfer, kein Pädagoge: „Das war mir zu lasch.“

Nun konzentriert er sich wieder auf den Bierausschank. Vorübergehend. „Mit 70 ist hier Schluss.“ Das ist in gut einem Jahr. Sein Blick sagt: „Da kommt noch was.“

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