WEIHNACHTSPROBLEME: Scheißriesenrad
Weihnachten ist nicht jedermanns Sache. Die einen werden depressiv, weil sie ihre Familie nicht sehen können, andere werden depressiv, weil sie sie sehen müssen, und wieder andere erfreuen sich einfach nur an der Zeit davor. Ich gehöre zur letzteren Sorte, und zwar aus verschiedenen Gründen: Erstens steht alle drei Meter ein Glühweinstand, zweitens kann man allerorten einen Rummel besuchen, und drittens steh ich auf diese mit weißer Schokolade überzogenen Weintrauben am Stiel.
Zwei dieser drei vorweihnachtlichen Erfindungen wurden mir beziehungsweise dem paranoiden Troll auf meiner rechten Schulter dieses Jahr kräftig versaut. Wo kommen wir denn hin, wenn man im Vollrausch nicht mal mehr kleine Schnapsflaschen mit Selbstgebranntem von Weihnachtsmännern entgegennehmen darf. Und bedeutet das etwa (wie die Polizei bereits ankündigte), dass es dieses Jahr keine gute Idee ist, am Brandenburger Tor mit Horden von Touristen und älteren Männern kleine Schnäpse wegzuhauen? Dabei kann man sich doch nichts Schöneres vorstellen.
Und nun auch noch der Rummel, diese unschuldigste und kindlichste aller Veranstaltungen. Es war ein Montag, als ich von meinem Freund Max, seines Zeichens furchtloser Rummelgänger und – als eine Hälfte des DJ-Teams Phantastik Spastik – sowohl an Lärm und blinkende Lichter als auch an betrunkene Menschen gewöhnt, folgende Nachricht erhielt: „Das Scheißriesenrad am Alex brennt, und ich sitz drin!“ Zuerst wollte ich ihm raten zu beten, schließlich ist Weihnachtszeit, doch dann fiel es mir wieder ein: Gott ist der Typ, der dich ignoriert, wenn du seine Hilfe am dringendsten brauchst. Irgendwie ist Weihnachten überflüssig. Wären da nicht die Massen von mit Schokolade überzogenen Weintrauben, die ich vorsichtshalber in meinem Kühlschrank gehortet habe. JURI STERNBURG
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