Wiedergänger der angenehmen Art

POST-PUNK Alle Welt hat sich in den vergangenen 30 Jahren bedient bei The Monochrome Set. Jetzt sind die sich immer wieder häutenden britischen Exzentriker auf Tour im Norden

Wir hinterlassen kaum etwas, das später einmal als typisch für unsere Zeit stehen wird. Das zumindest will der Pop- und überhaupt Kulturkritiker Mark Fisher festgestellt haben; so unterscheide sich elektronische Musik aus dem Jahr 2012 frappierend wenig von solcher aus dem Jahr 1994. Dass die Gegenwart partout nicht lassen kann vom Blick zurück, so umriss vor ein paar Jahren sein Theoretikerkollege Simon Reynolds ein Konzept, das er Retromanie nannte; da möchte man dann beinahe schon den Arzt rufen, ob er nicht was verschreibt gegen diese Fixierung aufs Zurückliegende.

Ein Symptom, und nicht mal das aussagestärkste, ist das Immer-Weitermachen von Leuten, die es eigentlich besser wissen könnten. Sieht man ab vom häufig wohl sehr realen, auch trivialen Hintergrund – dass beispielsweise Häuser abbezahlt werden müssen oder Studiengebühren für den Nachwuchs –, dann muss es einen doch bestürzen, wenn Bands und Musiker heute auf Tourneen ausdrücklich nur ihr erstes Album spielen. Oder auch anderweitig einfach zu wiederholen suchen, was ihnen mit 19 so viel leichter, überzeugender auch von der Hand ging.

Für dieses Erlahmen wenigstens doch eines nennenswerten Teils der Popkultur finden sich in Ballungsräumen Belege an jeder zweiten Litfasssäule: da, wo die Konzertankündigungen plakatiert sind. Aber diese unterschiedlich ausgeprägte Retromanie ist, andererseits, eben doch nie das Ganze, sondern zuallererst das Sichtbarste, weil Geld im Spiel ist und leicht zu erfüllende Erwartungshaltung.

Weniger, vielleicht umso interessiertere Fans hatten auch The Monochrome Set all die Jahre. 1978 in London gegründet, wo soeben Punk ganz groß geworden – und wieder kollabiert – war, blieben diese Handvoll Kunststudenten immer etwas mehr etwas für Kenner als andere ihrer Art. Ihre Hits wurden nie wirklich welche. Mit dem Hinzuziehen eines Filmemachers als „richtigem“ Mitglied wiederum waren sie ihrer Zeit einerseits voraus, andererseits war natürlich auch das ein Rückgriff auf die 1960er.

Überhaupt: The Monochrome Set trugen die Nostalgie schon im Bandnamen, denn Farbfernsehen war zu dieser zeit doch eigentlich schon durchgesetzt. Sie betitelten Lieder nach einer alten Agentenfilmparodie Jean-Luc Godards („Alphaville“) und holten auch musikalisch viel zurück, was 20 Jahre früher Stand der Dinge gewesen war – amalgamierten daraus aber einen höchst zeitgenössischen Sound.

Wiederholt aufgelöst und wiedervereinigt, haben sie soeben ein neues Album herausgebracht, beim Hamburger Label Tapete. Diese Verbindung hat Gründe: Wie so viele andere Bands der vergangenen 30 Jahre zählten auch die Hamburger „Die Zimmermänner“ The Monochrome Set zu ihren Vorbildern; Zimmermann Timo Blunck nahm nun das Album der Briten auf.

„Auf der einen Seite ist die Musik sehr melodisch und fröhlich“, ließ sich Songwriter, Sänger und Gitarrist Bid zitieren. „Die Texte hingegen handeln vom Tod, von Zerfall und von Veränderungen“, und so sei es „kein Wunder, dass wir bei den Untoten ziemlich beliebt sind“. Untot wie der Pop von früher, an dem wir alle kleben. Und was könnte besser passen, als diese Band zu Ostern live zu sehen?  ALDI

■ Ostersonntag, 5. April, Hafenklang, Hamburg; 12. April, Faust, Hannover