: Wir sind hier nicht Haiti, abhärten!
BERLIN IM ORKAN
Das war nicht nur ein mittleres Stürmchen, das von Montagabend bis zum Mittwochmorgen über Berlin hinwegbrauste. Das Sturmtief „Niklas“ war ein Orkan mit Böen bis zu 110 Stundenkilometer, welche Dächer abdeckten, Bäume knickten, Autos beschädigten sowie Flüge, Züge und S-Bahnen lahmlegten, weil der Betrieb aus Sicherheitsgründen eingestellt werden musste. Tausende strandeten quasi an den Flughäfen und in den Schalterhallen. Straßen wurden gesperrt, Fußgänger kamen gegen den Wind nur schwer voran. Über 1.100 Einsätze fuhren die Feuerwehr, THW und Polizei. Zum Glück gab es, außer ein paar leicht Verletzten, keine harten Personenschäden, sprich keine Toten. Fazit: Wir haben überlebt, Berlin hat in der Vorosterwoche „Niklas“ getrotzt.
Die Fragen, die nach so einer Art Ausnahmezustand immer kommen – nämlich, ob das Klima total verrückt spielt und die Wetterverhältnisse immer unberechenbarer werden –, stechen schon lange nicht mehr. Klima und Wetter haben sich verändert. Außerdem macht das Aprilwetter schon immer sowohl der Natur als auch der Zivilisation heftig zu schaffen. Es hagelt, schneit, wird warm und kalt zugleich und der Wind fegt die morschen Äste weg. So gesehen, ist in Berlin in den kommenden Wochen noch einiges an stürmischen Tagen zu erwarten.
Klar, wir sollten uns Gedanken wegen des Klimawandels machen, und wie! Aber wir sollten uns zugleich nicht so anstellen mit dem Wetter. Hatte nicht schon Klaus Wowereit, der frühere Regierende Bürgermeister, gesagt, „Berlin ist nicht Haiti“, als es mal überraschend glatt auf den Straßen und Wegen wurde und alle sauer auf den blöden ausgefallenen Streudienst waren.
Wir sollten uns darum andere Fragen stellen: Wie bequem sind wir eigentlich alle geworden? Wie unflexibel handeln wir oder verhalten wir uns, angesichts von omnipräsenten Vorhersagen und Sturmwarnungen? Ist es ein Naturgesetz, Bäume neben Schienen zu pflanzen? Warum bleiben wir bei miesen Wetterverhältnissen nicht einfach daheim, sondern brettern über die Straßen, als ob Formel-1- Renntag wäre?
Was man aus „Niklas“ lernen kann, ist, dass wir uns sturmfester machen sollten, also abhärten, und die Infrastrukturen ebenso. Es gilt: Safty first, ein Sturm geht auch wieder vorbei. Dann wird aus Berlin auch kein Haiti. ROLF LAUTENSCHLÄGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen