LESERINNENBRIEFE
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Depression ist keine Mehlallergie

■ betr.: „Von der Verantwortung“, taz vom 31. 3. 15

Ines Pohl meint, „auch der Bäcker, der eine Mehlallergie hat, muss sich einen neuen Beruf suchen. Das muss auch für hochqualifizierte Piloten gelten.“ Tja, nur das eben die Mehlallergie eine trennscharfe Diagnose und Schlussfolgerung bezogen auf den Job erlaubt. Aber wenn die Diagnose Depression als Ausschlusskriterium für den Pilotenberuf etabliert werden soll, als was darf man denn dann in der Logik dieser Vorstellungswelt nicht mehr arbeiten? Als Kindergärtnerin? Die könnte ja sich und alle Kinder umbringen? Oder depressive Taxifahrer, die könnten ja mitsamt der Fahrgäste als Geisterfahrer auf die Autobahn in den Gegenverkehr rasen? Oder depressive Bäcker, die könnten ja Rattengift in den Teig mischen und sich und alle anderen mit Biobrötchen umbringen! Eine Depression ist keine Mehlallergie. ANDREAS HÖRMANN, Frankfurt

Nur Gedöns?

■ betr.: „Hilfe für ‚feministische‘ Außenpolitik“, taz vom 1. 4. 15

Wenn die taz über die explizit feministisch orientierte Außenpolitik Schwedens in Person Margot Wallströms so wohlwollend berichtet, sei ihr das einerseits gedankt.

Andererseits stellt sich mir an gleicher Stelle die Frage, warum deren Engagement „mit klaren Worten“ – beispielsweise gen Saudi-Arabien, trotz Gegenwind aus der heimischen Wirtschaft entgegenschlägt – dann eine Distanzierung an zentraler Stelle, siehe Überschrift des Artikels: „feministische“, erfordert? Widersprecht ihr euch da nicht? Oder ist am Ende ohnehin alles nur Gedöns, diesmal aus Schweden?

Wir werden’s sehen – auf eurem Kongress dazu Ende April.

MELANIE GÖTZ, Berlin

Hilferuf

■ betr.: „Schwarz-Rot will Athen scheitern lassen“, taz vom 31. 3. 15

Diese Kurzmeldung aus der Linkenfraktion hat’s in sich und ist in der taz-Redaktion wohl noch im Brutkasten, auch am Tag danach noch kein Kommentar. Die Meldung einer Annäherung Griechenlands an Russland zeigt, Tsipras nimmt seinen Auftrag ernst, gibt nicht auf. Frau Merkel hat Schäuble zum Schweigen gebracht – die „Familien“politik geht weiter. Wie lange lässt sich die europäische Politik (Frau Wallström) das noch gefallen? Dieser Hilferuf kommt aus Deutschland, da sich hier keine Alternativen entwickeln. Gabriels SPD? Geschenkt. Und ein großer Teil der Grünen können den Gnadenstoß zur Bedeutungslosigkeit nicht erwarten und stehen als nächstes Koalitionsopfer bereit. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Aber einen Therapeuten hatte er

■ betr.: „Von der Verantwortung“, taz vom 31. 3. 15

Waren nach 09/11 muslimische Menschen kollektivem Misstrauen ausgesetzt, werden nach Flug 9525 Personen mit Depressionen und anderen Segnungen aus der psychologisch-psychiatrischen Wunderkammer durch den medialen Diskurs geschleift. Dabei ist seelische Trauer nicht zwangsläufig mit Suizidalität verbunden, und selbst wer seinem Leben ein Ende setzt, begeht in der Regel keinen Massenmord. Haben nicht auch die Heiligen im deutschen Widerstand in dunklen Zeiten das Ende des eigenen Lebens in Kauf genommen? Andersherum: Niemand käme auf die Idee zu fragen, ob ein Amok-Pilot in der Vergangenheit Red-Bull getrunken oder CDU gewählt habe. Aber einen Therapeuten hatte er, das geht offenbar zu weit. Kein Gentest kann und darf Amokläufer präjudizieren und keine psychologische Mutmaßung ein Berufsverbot postulieren, solange Menschen in ihrem realen Handeln unbescholten sind. Gefährlich sind nicht Menschen, die in einer Krise fachliche Hilfe in Anspruch nehmen, sondern eher jene, die eine solche partout nicht sehen. DIRK LUBIEN, Berlin