BITTE, LIEBE POST
: Restalkohol

Du dreckige Fotze, du mieses Stück Scheiße!

Ich eile zum nächsten Briefkasten, um schnell noch einen Brief einzuschmeißen, aber die Post ist schneller. Mit einem Bagger reißt sie den Briefkasten gerade aus dem Boden. Die Gentrifizierten schreiben sowieso keine Briefe mehr, nur noch Elektropost, und der Bittermann verstopft mit seinen Büchersendungen nur unsere Briefkästen, denkt die Post, und außerdem glaubt sie: Wer was von mir will, muss schon zu mir kommen und sich hinten anstellen. Natürlich versuche ich das zu vermeiden. Wer mag schon die Post immer anbetteln: Bitte, liebe Post, kannst du das Paket für mich in eine andere Stadt transportieren?

Ich frage den Paketboten, der bei mir die Pakete für das gesamte Haus ablädt, ob er eine Büchersendung, die durch keinen Briefschlitz passt (die schmalen Briefschlitze sind eine weitere ausgetüftelte Strategie, um die Kunden zu ärgern), zur Post mitnehmen könne. Der Mann hat eine Glatze. Ob das was zu bedeuten hat, weiß ich nicht, aber er guckt lange und ungläubig auf die Sendung. „Büchersendung, schon frankiert“, sage ich. „Wat is det?“, fragt der Mann und wendet die Sendung hin und her. „Büchersendung“, sage ich noch mal. Wieder längeres Beäugen der Sendung. „Das darf ich gar nich annehmen“, sagt er. „Wenn ich die jetzt einfach wegschmeiße, wa, und die kommt dann nich an, was dann?“ „Sie wollen die wegschmeißen?“, frage ich. „Nee, war doch nur ’n Beispiel. Aber wenn irgendwat passiert, dann gibt’s nur Ärger“, sagt er. „Also ich hätt’s echt gern jemacht, wa, aber det darf ich gar nich.“ Ich sage nichts mehr.

Auf dem Weg zur Post komme ich an einer Restalkoholfraktion vorbei. Eine Frau mit einem Bier in der Hand beschimpft eine andere: „Du dreckige Fotze, du mieses Stück Scheiße!“, denn die andere hat anscheinend eine Flasche Bier fallen lassen. Vielleicht sollte ich mir von der einen ein paar Tipps geben lassen, denke ich. KLAUS BITTERMANN