„Fast völlig ausgegrenzte Gruppe“

Heute ist das Benefiz für jugendliche unbegleitete Flüchtlinge zum fünften Mal in der Fabrik zu Gast. Die taz sprach mit den OrganisatorInnen Lisa Politt und Gunter Schmidt vom Kabarett-Duo „Herrchens Frauchen“

taz: Frau Politt, Herr Schmidt, sind Sie schon lange in der Flüchtlingssolidarität aktiv?

Lisa Politt: 1992 haben wir die erste Benefizveranstaltung selbst organisiert. Anfangs für die Aids-Hilfe, die ist aber heute allgemein anerkannt und erfährt breite Unterstützung aus allen Schichten. Deshalb erschien es uns sinnvoller, jugendliche Flüchtlinge zu unterstützen. Diese Gruppe ist gesellschaftlich fast völlig ausgegrenzt. Die Jugendlichen leben unter miserablen Bedingungen, sind permanentem Misstrauen und vielfältigen bürokratischen Schikanen ausgesetzt. Mit dem abgesenkten Sozialhilfesatz und einem lächerlich geringen Zuschuss für Schulmaterialien auszukommen, ist schlichtweg unmöglich.

Gunter Schmidt: Für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ist es besonders hart, weil überhaupt nicht klar ist, wie es für sie weitergeht. Sie haben keine Familien, die sie unterstützen können, und die meisten wissen gar nicht, ob sie nach Schul- oder Berufsausbildung eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, sofern sie überhaupt hier eine Ausbildung machen können.

Gibt es Unterschiede zwischen dem Aids-Benefiz und einem Solidaritätsabend mit jugendlichen Flüchtlingen?

Politt: Mit dem Thema Aids haben wir überall offene Türen eingerannt. Als wir mit dem ersten Solidaritätsabend für die jugendlichen Flüchtlinge an die Presse gingen, fragte ein Journalist: „Ach, damit die sich davon ihre Waffen kaufen können?“ Damit haben wir den Solidargedanken in seinen Augen wohl überstrapaziert. Um mal Thomas Ebermann und Rainer Trampert zu zitieren: „Der Unterschied zwischen einem Benefiz für die Vertriebenenverbände und einem für jugendliche Flüchtlinge ist: Ersteres wäre gesellschaftlich völlig akzeptiert.“

Wird das Thema bei dem Benefiz auch inhaltlich eine Rolle spielen oder geht es in erster Linie darum, Geld zusammen zu bekommen?

Schmidt: Wir werden in der Begrüßungsrede darauf eingehen, es gibt Stellwände und Stände, wo die Jugendlichen ihre Situation und die Betreuer ihre Arbeit vorstellen werden. Hauptsächlich geht jedoch um ein Konzert, bei dem das Publikum und wir auf der Bühne Spaß miteinander haben und trotzdem der Zweck jedem klar ist. Es wird ein praller Abend – kommt alle, wir wollen Euer Geld.

Früher waren politisch aktive Kunstschaffende keine Seltenheit, heute sind solche Aktivitäten eher eine Ausnahme.

Politt: Kabarett steht ja eigentlich für politische Satire. In den letzten Jahren hat sich allerdings stattdessen Comedy etabliert. Eine Kunstsparte, die nichts anderes gemacht hat, als dem Kabarett die Form zu klauen und ihm den Inhalt zu nehmen. Das ist ein Beispiel für die generelle Entpolitisierung unserer Gesellschaft. INTERVIEW: BIRGIT GÄRTNER

Benefiz mit „Herrchens Frauchen“, Thomas Ebermann und Rainer Trampert sowie „Tuten und Blasen“: Do, 27. 12., 21 Uhr, Fabrik Spendenkonto: AWO-Jugendwohnungen, Kto. 1038 / 219778, HaSpa (BLZ 200 505 50), Stichwort „Jugendliche unbegleitete Flüchtlinge“