Schürrle wirft den Rucksack ab

FUSSBALL-BUNDESLIGA Der VfL Wolfsburg hält den Belastungen eines Spitzenteams stand – bisher. Jetzt kommt auch noch der Winter-Top-Transfer auf Touren. Die Frage ist nur, wie lange Ideengeber Kevin de Bruyne durchhält

VON PETER UNFRIED

Manchmal kommt einem der VfL Wolfsburg schon vor wie der FC Bayern. Nicht nur, als er den VfB Stuttgart am Osterwochenende nach einer mehr als mäßigen Halbzeit noch 3:1 abfertigte. Es gab zuletzt ein paar dieser Spiele. Der April wird Aufschluss darüber geben, ob es so weitergeht. In den nächsten drei Wochen geht es für den Bundesliga-Zweiten gegen den HSV, die Tabellennachbarn aus Schalke und Mönchengladbach und in der Europa League gegen den SSC Neapel. Bereits am heutigen Dienstag kommt der SC Freiburg zum Viertelfinale des DFB-Pokals.

Gegen den VfB Stuttgart trafen Ricardo Rodriguez per Foulelfmeter (41.) und Freistoß (65.), sowie erstmals André Schürrle (76.); das Gegentor köpfte Martin Harnik (44.). Allerdings sah es eine Halbzeit lang so aus, als sei das Team aus dem Rhythmus und womöglich etwas überspielt. Stuttgart hatte ein Chancenplus, der VfL war so fahrig, dass er seinen Dominanzfußball nicht hinbekam. Was Dieter Hecking „maßlos sauer“ machte, wie er sagte.

Heckings Korrekturen

Der VfL-Trainer korrigierte zunächst die Einstellung und nach einer Stunde Personal und Strategie. Für den Fehlpass-lastigen Josuha Guilavogui schob er Christian Träsch ins Mittelfeld vor und wechselte Ivan Perišić und Schürrle als neue Flügelzange ein. Das brachte mehr Ballsicherheit und Tempo, sodass der VfB nicht mehr mitkam. „Wir haben an unseren Grenzen gespielt“, knurrte VfB-Trainer Huub Stevens, „Wolfsburg kann immer noch eine Schippe drauflegen.“

So war es – ein Indiz dafür, dass der von Manager Klaus Allofs und Hecking runderneuerte Kader zwar kaum Erfahrung mit der Dauerbelastung eines Spitzenteams hat, aber die Klasse, Tiefe und taktische Variabilität haben könnte, um den Monat ordentlich hinter sich zu bringen.

Emotionaler Höhepunkt des Osterspiels war das Tor von Andre Schürrle. Nicht, weil es der erste Treffer des Außenstürmers seit seinem Winterwechsel vom FC Chelsea war. Sondern, weil man für solche Adrenalin-Tore ins Stadion geht. Der starke Torhüter Diego Benaglio hatte einen Freistoß gefangen und gegen den aufgerückten VfB per präzisem Fußabstoß auf Kevin De Bruyne in einen Konter verwandelt. De Bruyne, mit Spieldauer zunehmend agiler, setzte sich in einem Tempo-Sprint gegen die zwei absichernden Stuttgarter so durch, dass der Ball beim in den Raum gesprinteten Schürrle landete. Und der bugsierte ihn mit der Innenseite in die Torecke.

„Es wurde Zeit“, sagte Schürrle hinterher. Nach einem fulminanten Einstand war der bisher teuerste Transfer der VW-Tochter „ein bisschen in ein Loch“ gefallen und hatte negative mediale Rezeption verkraften müssen. Hecking findet sogar, dass er einen „Riesenrucksack“ auf seinem Rücken gespürt habe. „Es hat schon an mir genagt“, sagte Schürrle. Und: „Jetzt ist alles okay.“ Aber das ließ er nicht stehen, schob nach: „Heute.“

Tormonster sieht alt aus

Man muss es mit dem Druck-Beschwören nicht übertreiben, aber tatsächlich gibt es keine Erlösung im Spitzenfußball und auch die Erleichterung währt meist nur Stunden. Bestenfalls ein paar Tage. Frag’ nach bei Zielstürmer Bas Dost, gerade noch ein unfassbares Tormonster und mit dem Debüt für die Niederlande – nun schon sechs Pflichtspiele ohne Tor. Wenn der letzte Ball nicht zu ihm kommt, sieht er schnell so alt aus wie früher.

Gegen den Pokalgegner SC Freiburg hat der VfL vor wenigen Tagen in der Liga 3:0 gewonnen. Es lief so ähnlich wie gegen den VfB. Die Wolfsburger sahen müde aus und gewannen am Ende, weil sie zulegen konnten und wegen der Tempo-Sprints von Kevin De Bruyne. Es wird von zentraler Bedeutung sein, wie lange Wolfsburgs solitärer Weltklasseangreifer sein Topniveau halten kann. Der Belgier machte heute bereits sein 46. Pflichtspiel der Saison. Hecking sagte unlängst, er denke schon daran, ihn zwecks Schonung mal rauszunehmen. Aber dann denke er auch: „Lieber nicht, sonst ist er sauer.“ Gegen Stuttgart wechselte er ihn knallhart aus. In der 89. Minute.