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FÜR DEN HANDYANBIETER BEGINNT HIER SCHON DAS AUSLANDVier Hefeweizen sind quasi auch ein Schnitzel

VON JURI STERNBURG

Inlineskates werden leider nicht akzeptiert. Betrübt schleicht eine junge Frau vor mir von dannen, eben wurde sie an der Tür des Prince Charles Clubs abgewiesen. Das Motto heute lautet „Korean Roller Disco“, und erlaubt sind nur echte Rollschuhe.

Abseits des mit Parkett ausgelegten Dancefloors gibt es koreanisches Essen, logisch. Alle finden es ganz amüsant. Trash ist ja bekanntlich cool, und essen ist sowieso wieder ganz groß in Mode. Wer was auf sich hält, frühstückt nichts mehr unterhalb von selbst gebackenem Kürbisbrot mit Vanille Whey, Bananen-Protein-Pancakes und Grapefruit-Eis (Danke für die Inspiration, Bella).

Ich bestell mir lieber ein Bier, das ist günstiger, und vier Hefeweizen sind ja quasi auch ein Schnitzel. Neben der provisorischen Rollschuhbahn stehen ein paar Gestalten herum, die sich nicht durchringen konnten, Kimchi und Schweinebauch mampfend durch den Club zu schlingern. Ich stelle mich dazu, es ist ja erst Donnerstag, da kann man ruhig mal in der Gegend rumstehen.

„My favourite part of drinking, is not being the introverted piece of shit i am“ hat jemand mit einem Kugelschreiber in Kniehöhe an die Wand geschrieben. Offensichtlich geschah dies zu einem Zeitpunkt, als aus Rumstehen bereits Rumliegen wurde; ich weiß es nicht genau, ich war leider nicht dabei. Ich war irgendwo anders, also da, wo ich jetzt auch gern wieder wäre.

Prompt erreicht mich die Nachricht, dass es die Möglichkeit gibt, nach Frankfurt zu fahren. Ich sage bewusst nur Frankfurt, damit nicht klar ist, ob es jenes an der Oder oder eben das andere Frankfurt ist, denn besonders spektakulär ist so eine Fahrt nach Frankfurt (Oder) ja auch nicht.

Als kleiner Tipp jedoch: Die Stadt, in die ich fuhr, nennt man auch das Paris von Brandenburg, und unser Handyanbieter teilte uns mit, dass wir jetzt den Auslandstarif nutzen müssen, da wir uns in Polen befinden würden. Grund für meine kleine Weltreise: Die Turntable Hools, Berliner DJ-Combo und nebenbei die schwedischen Verwandten von K.I.Z, hatten noch einen Platz im Auto frei und freuen sich immer über jemanden, der ihnen die Freidrinks wegtrinkt und eines der Hotelzimmer belegt. Wie das eben so ist bei den Stars, nach so vielen Jahren auf Tour hat man sich innerhalb der Band nichts mehr zu sagen, da ist es hilfreich, wenn jemand dabei ist, der das Eis bricht.

Der Abend war lang, das Gedächtnis kurz, die Stripperinnen hatten Skimasken auf, ich hatte auch eine. Meine hatte jedoch ein großes Chanel-Emblem auf der Stirn (meine Skimaske, nicht meine Stripperin), man muss ja Prioritäten setzen. Irgendwann ging das Licht hier an und dort aus, der Lauf der Dinge eben.

Am nächsten Morgen grübelte ich so vor mich hin. Wieso war ich pleite, obwohl es doch alles umsonst gab und das Hotel fußläufig zum Club lag? Hatte ich die halbvolle Wodkaflasche neben meinem Bett etwa bezahlt?

In der Lobby dann die Auflösung durch Rufmord3000, seines Zeichens Exrapper, freischaffender Entrepreneur und Enfant terrible der Grafik und Werbeszene. „Du hast gestern grundlos Geld verschenkt!“, sagte er. An wen so? „An Menschen. Und offensichtlich hattest du Spaß daran.“

Erleichterung machte sich breit, denn dafür war ich noch ganz günstig davongekommen. Außerdem laufen jetzt einige Menschen mit etwas mehr Geld in der Tasche durch Frankfurt, das ist doch auch was Schönes.

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