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Geständnisse Japan 2010, R: Tetsuya Nakashima, D: Takaku Matsu, Yoshino Kimura

Milch und Blut sind die zentralen Metaphern dieses Films. Milch wird gleich in der ersten Einstellung von einer Tokioter Lehrerin an die Schüler ihrer Klasse verteilt, Blut mischt sich (auch ganz konkret) hinein, weil die Frau Rache nimmt. Sie ist davon überzeugt, dass zwei der Schüler ihre vierjährige Tochter umgebracht haben und in einer virtuosen Eingangssequenz, die etwa 30 Minuten lang dauert, hält sie im Klassenzimmer ein Geständnis, dessen Sinn die respektlos krakeelenden Schüler kaum mitbekommen. Die ganze Klasse scheint ihr Feind zu sein, und Nakashima zeigt sie als eine feindselige, abgebrühte Meute.

Die junge Frau wirkt zuerst, als sei sie ihnen gänzlich unterlegen, doch sie folgt einem perfiden Plan, und bald stürmen ihre Schüler entsetzt aus dem Klassenzimmer. A und B, so nennt sie die beiden Täter, die im Laufe des Films immer mehr zu Opfern werden, haben aus Langeweile und Geltungssucht getötet. Auch ihre Geständnisse werden wir im Laufe des Films hören, sodass hier eine fast mathematische Einteilung in drei Akte stattfindet, und da jeder Protagonist aus seiner Sicht erzählt, kommt einem natürlich Kurosawas „Rashomon“ in den Sinn.

Indem sie die Milch der beiden Jungen mit HIV-infiziertem Blut verseucht (oder dies zumindest behauptet), pflanzt sie den Feind in ihre Körper ein. Beide werden dadurch in Höllenfahrten gestürzt, und diese inszeniert Nakashima mit einer dramaturgischen Radikalität und stilistischen Finesse, die einen frösteln lässt. Dies liegt auch daran, dass er völlig auf einen positiven Helden verzichtet. Die Lehrerin ist in ihrer Rache so hinterlistig und grausam, dass man eher Abscheu als Mitgefühle empfindet. Eines ihrer Opfer ist ein hochbegabter Sadist, der elektronische Fallen bastelt und neidisch auf eine Amokläuferin ist, weil diese an dem Tag, an dem er beim Jugend-forscht-Wettbewerb ausgezeichnet wurde, durch ihre Morde mehr Aufmerksamkeit als er erregte. Der andere ist ein labiler Mitläufer, der für einen Moment des Triumpfes mordet. Während die Rache der Lehrerin immer absurdere Wendungen nimmt, werden die beiden zunehmend verzweifelter und verwirrter, bis sie dazu gebracht werden, sich selber in irrwitzigen Akten der Gewalt zu zerstören.

Auf einer Ebene ist dies ein extrem spannender und komplexer Psychothriller, mit dem Nakashima zugleich mit analytischer Schärfe und künstlerischer Fantasie die unter den modernen Japanern herrschenden Ängste anzapft. „Ijime“ ist der japanische Begriff für das Mobben an der Schule, und es hat dort viel verheerendere Dimensionen angenommen als in anderen modernen Gesellschaften. Doch Nakashima geht immer noch ein wenig tiefer und entpuppt sich schließlich mit seinem Weltschmerz und der Tiefe der zerstörerischen Emotionen als ein schwarzer Romantiker in der westlichen Tradition des 19. Jahrhunderts. Nicht umsonst wird einer der Lehrer „Werther“ genannt.

„Geständnisse“ (OmU), Do, 18, Fr , Di & Mi 20 sowie So & Mo 20.30 Uhr, City 46