DAUMENKINO
: Chronisch pleite

HipHop als Boulevard-Theater. Als Modeklamotte aus den nuller Jahren. Als Ausweis von Schlagfertigkeit im „Digger, Digger – Alda, Alda“-Modus. All das versucht der Spielfilm „Blutzbrüdaz“ von Regisseur Özgur Yildirim und kommt dabei nicht weit. Kostprobe: „Eh, yo, deine Mama ist so fett, wenn sie rückwärtsläuft, piepst’s“.

Das Klamauk-Niveau von „Blutzbrüdaz“ bleibt auf der Höhe von „Harald und Eddi“, diesem archetypischen deutschen Sketchduo der Fernsehwelt der achtziger Jahre. Was die Darstellung von Pop anbelangt, ist deutscher Film sowieso eine besonders schlimme Diaspora, und da macht auch „Blutzbrüdaz“ keine Ausnahme: Noch nie wurde HipHop so blutleer dargestellt.

Sein Setting ist in Berlin Anfang 2000. Otis und Eddy, dargestellt von den beiden Bling-Bling-Rappern Sido und B-Tight, klauen sich in einem kleinen Laden Mikrofone, um endlich groß rauszukommen. Sidos Filmfigur Otis wird als Verlierer mit Kassengestellbrille inszeniert, sein Partner Eddy ist auf eiskalter Rapengel getrimmt. Bei Freestyle-Battles rappen sie ihre Konkurrenten zwar in Grund und Boden, kriegen aber Ärger mit den Türstehern und fliegen raus. Ihnen fehlen Connections: fette Beats und Samples mit Halbwertszeit. Und ein Plattenproduzent mit Riecher. Stattdessen landen Otis und Eddy im Knast. Otis, ganz Blutsbruder, stellt sich freiwillig, als Eddy im U-Bahnhof Hallesches Tor festgenommen wird, weil er einen Getränkeautomaten ausnimmt.

Eine Szene mit Symbolcharakter. Der Film unterlässt es, U-Bahnen und den Transitort Bahnhof mit dem Flow von HipHop zusammenzubringen oder auch nur mit der alternativen Territorialisierung von Graffiti. Stattdessen verlässt sich „Blutzbrüdaz“ auf Mainstream-Logik. Selbst Freundschaft wird dem Kreislauf des Geldes unterworfen. Und so fokussiert die Kamera auf den Schacht des Automaten und lässt die Münzen herauspurzeln. Geld spielt im weiteren Verlauf die Hauptrolle von „Blutzbrüdaz“, egal ob Sidos blonde Freundin Suzy (Alwara Höfels) seine Tantiemen für einen Pauschalurlaub in Spanien verplant oder der Plattenladenbesitzer Fusco (Milton Welsh) das Demotape von Otis und Eddy massenweise über die Ladentheke vertickt, der Rubel rollt.

Natürlich werden die Talente von Otis und Eddy schließlich gewinnbringend vermarktet. Der autoritäre Plattenproduzent Facher schwatzt dem Duo einen Majordeal auf, der die Blutzbrüdaz entzweit. Er macht aus Eddy einen Star. Aus Frust stellt Otis das noch gemeinsam entstandene Album zum kostenlosen Download ins Netz. Auf der Strecke bleibt in diesem Plot dagegen der Austausch von Styles oder die Erzeugung von kinetischer Energie. HipHop war noch nie so eindimensional.

JULIAN WEBER

■ „Blutzbrüdaz“. Regie: Özgür Yildirim. Mit Sido, B-Tight, Claudia Eisinger, Alwara Höfels u. a. Deutschland 2011, 87 Min.