berliner szenen Loslassen 2008

Tapferkeit gefragt

„Abschiedsfeier“ heißt es in großen Lettern neben der Kasse. Ich stehe in einem kleinen Feinkostladen am Rosenthaler Platz und frage erschrocken: „Macht Ihr zu?“ Die Frau, die mir eine Weinflasche einpackt, schüttelt nur den Kopf. Nein, man habe an den Betreiber des benachbarten Restaurants verkauft. Es lohne sich einfach nicht mehr. Ein wenig wehmütig verlasse ich das Geschäft, in dem es immer korrekt ohne neu-mittiges Schicki-Micki-Gehabe zugegangen war.

Später am Abend gehen wir auf die Abschiedsparty des Medienkunsthauses Tesla im Podewil. Auf der Einladungskarte war eine Schweizer Eisenbahnbrücke abgebildet, die hinein in einen Bergtunnel führt. Oder hinaus. Die Zeit im Podewil ist vorbei, das Tesla lebt jedoch weiter, scheint das Motiv zu sagen. Aber wie? Während Frank Brettschneider sein Bassgeknatter abfeuert, erzählt mir ein Bekannter, dass er ab Januar aufhört, einen Plattenladen für elektronische Avantgarde-Musik mitzubetreiben. Erst mal drei Wochen Urlaub, dann sieht er weiter. Während er von der wachsenden Unlust und der großen, über die Jahre angehäuften Last an Vinyl, CDs und Kabeln spricht, denke ich, dass das leider nicht der letzte Loslasser heute Abend ist.

Denn ganz zum Schluss landen wir in der Luxus-Bar auf der Belforter Straße, um auch noch einen überaus geschätzten Barkeeper nach Dänemark zu verabschieden. „liebe genossen!“ hatte es in der letzten email knapp geheißen, „ich hab morgen freitag & samstag meine letzten arbeitstage im laden. vielleicht möchtet ihr noch mal vorbeischauen.“ Wir halten uns an den Wodka-Gläsern fest und täuschen coole Tapferkeit vor. Aber tatsächlich ist dieser Transfer von Berlin nach Kopenhagen ein ziemliches Desaster. KITO NEDO