„Kreuzfahrten sind Betrug“

DENKANSTÖSSE Künstlerin sinniert über Wege, die Logik der Konsum-Seereisen zu durchkreuzen

■ 43, die Kulturwissenschaftlerin und Theatermacherin leitet das Forschungsprojekt im Hamburger „Fundus“-Kindertheater.

taz: Frau Peters, was haben Sie gegen Kreuzfahrten?

Sibylle Peters: Gegen die Sehnsucht, auf dem Meer zu reisen und dessen Weite zu genießen, habe ich gar nichts. In der Realität habe ich aber den Eindruck, Kreuzfahrten sind Betrug, weil sie genau das nicht liefern: Man findet sich auf diesen Schiffen eingeschlossen in einer Situation wie beim Flughafen-Transit, soll konsumieren und bekommt wenig mit von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Konflikten auf dem Meer. Ganz abgesehen davon, dass die ökologische Bilanz der Kreuzfahrtschiffe verheerend ist.

Sie werden heute erklären, wie die Logik der Kreuzfahrt zu durchkreuzen sei. Nämlich wie?

Indem ich Denkanstöße liefere und in Erinnerung rufe, dass es ja bereits alternative Projekte gibt – Kreuzfahrten, die keine reinen Konsumereignisse sind. In der Südsee gibt es zum Beispiel Kreuzfahrten auf Handelsschiffen, die winzige Inseln beliefern. Kommerziell würde sich das nicht rechnen, aber das die Kreuzfahrer das kofinanzieren, funktioniert es. Solch ein Geschäftsmodell könne man ja auch anwenden auf Aktivitäten, die von Hamburg ausgehen. Eine andere Idee wäre, ein Kreuzfahrtunternehmen zu gründen, damit sich Zivilgesellschaft einbringen kann, um Themen wie Fair Trade und das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer in den Fokus zu rücken.

Sie sprechen heute Abend auch über den „Club der Marinauten“.

Ja, er wurde gegründet vom Performance-Kollektiv „Geheimagentur“, das in Hamburg seit 2002 aktiv ist und in diesem Jahr beim Sommerfestival auf Kampnagel mitwirkt. Der Marinautenclub ist etwas Halb-Fiktives: die Vorstellung eines weltweiten Netzwerks von Menschen, die das Meer bereisen, um einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen. In diesem Zusammenhang werde ich auch auf die Shipping Art zu sprechen kommen, die wichtige Impulse geben kann.

Was ist Shipping Art?

Performance-Kunst, die sich auf dem Wasser abspielt – etwa in Aktionen wie den Swimming Cities, bei denen Künstler in Prozessionen aus Flößen den Mississippi runterfuhren. In Hamburg gab es 2013 an der Aktion „gegenstrom“, bei der die Elbe von privaten Skippern blockiert wurde – aus Protest gegen den Import von Kohle, die in Kolumbien unter verheerenden Bedingungen abgebaut wird.  INTERVIEW: PS

Stadtgespräch zum „Club der Marinauten“: 19 Uhr, Büro Stadtkuratorin Hamburg, Hafenstr. 96