Endlich: Klimawandel widerlegt

WISSEN Die Tea Party zitiert eine Studie aus Deutschland um zu zeigen, dass die Klimaerwärmung Panikmache ist. Allerdings zitiert sie falsch und widerlegt sich selbst

Auf Teaparty.org, einer viel frequentierten Webseite konservativer Republikaner, werden Spendengelder eingetrieben, um Schießkurse für Kinder zu finanzieren

VON INGO ARZT

Endlich ist dieser Quatsch mit dem Klimawandel widerlegt, und zwar vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. From Germany! Das bürgt für Wahrhaftigkeit und Qualität. Das ungefähr mussten sich die Betreiber der US-amerikanischen Webseite Teaparty.org gedacht haben, als sie das renommierte Forschungsinstitut kürzlich als Zeuge für einen „Todesstoß“ für die „globale Klimahysterie“ heranzogen.

Im Netz kursieren allerlei ziemlich hanebüchene Pseudo-Widerlegungen eines menschengemachten Klimawandels. In Deutschland kommt dergleichen glücklicherweise selten in den medialen Mainstream. In den USA gehört es vor allem auf Seiten der Republikaner und der Tea-Party-Bewegung zu einer Art politischem Glaubensbekenntnis, dass der Klimawandel entweder nicht existiert oder reine Panikmache ist. Wie verlogen dabei argumentiert wird, zeigt nun Teaparty.org. Eine viel frequentierte Webseite konservativer Republikaner, die auf den ersten Blick wie eine Satire des Postillons aussieht: Unter anderem werden Spendengelder eingetrieben, um Schießkurse für Kinder zu finanzieren.

In einem Artikel der Seite heißt es nun, deutsche Wissenschaftler hätten herausgefunden, dass sogenannte Aerosole die Atmosphäre weniger abkühlen als bisher gedacht. Aerosole sind kleine Schwebeteilchen in der Luft, etwa Ruß aus Kaminen, Pollen, Wüstenstaub. Steigen solche Partikel in große Höhen, kühlen sie den Planeten, weil sie Sonnenlicht ins All zurückwerfen. Der paradoxe Effekt ist, dass der Mensch mit dem Ruß aus seinen Schornsteinen die globale Erwärmung verlangsamt, die das in den gleichen Abgasen enthaltene CO2 verursacht.

Die Tea Party hat nun folgende fixe Idee: Wenn der Ruß weniger kühlt als angenommen, dann heizen Klimagase auch weniger auf als bisher gedacht. Weil sie ja einen geringeren Kühleffekt kompensieren müssen, um insgesamt das Klima zu erwärmen. Ergo kann auch mehr CO2 in die Atmosphäre, ergo braucht es auch keine Gesetze zur CO2-Reduktion, was nebst konservativer, heteronormer Familie und Waffen für alle das oberste Anliegen der Tea Party ist. Die Sache mit der Klimawandelhysterie dürfen in dem Text dann noch ein paar Wissenschaftler des Cato-Instituts sagen – einem Institut, das unter anderem von Charles Koch gegründet wurde, einem erzkonservativen Milliardär, der sein Geld mit Öl und Chemie verdient.

Dummerweise verdreht die Tea Party die Ergebnisse der Studie komplett: „Der menschengemachte Klimawandel wird von meiner Studie nicht in Zweifel gezogen“, teilt Bjorn Stevens, Autor der Studie, auf Anfrage mit. Er forscht auf einem Gebiet, das in der Klimawissenschaft noch mit großen Fragezeichen behaftet ist: welchen Effekt Aerosole auf die globale Erwärmung haben, vor allem in Wechselwirkung mit einer durch den Klimawandel veränderten Wolkenbildung. In der etablierten Klimawissenschaft macht niemand einen Hehl daraus, dass auf dem Gebiet noch großer Forschungsbedarf besteht. Der Weltklimarat drückt solche Unsicherheiten in einer Bandbreite möglicher Temperaturänderungen aus. Stevens schreibt, dass seine neue Studie absolut im Einklang mit dem jüngsten Weltklimabericht steht, der vor dem von Menschen verursachten Klimawandel warnt.

Allerdings deutet seine Studie darauf hin, dass die Szenarien, in denen Aerosole einen besonders starken kühlenden Effekt haben, möglicherweise verworfen werden können. „Sosehr ich meine eigenen Ideen mag, sollte man der Versuchung widerstehen, zu früh zu viele Schlussfolgerungen aus einer einzigen Studie zu ziehen“, schreibt Stevens.

Anders ausgedrückt: Eine gesicherte Erkenntnis entsteht erst im wissenschaftlichen Prozess. Aus dem lassen sich einzelne Bestandteile fischen, um das eigene Weltbild vom Klimabetrug aufrechtzuerhalten – auch wenn man damit nur anerkennt, dass die Klimawissenschaft sich ständig selbst kritisiert.